: In Treue fest zu Amerika
■ In der rot-grünen Koalition siegt die deutsch-amerikanische Freundschaft gegen völkerrechtliche Zweifel am Militäreinsatz gegen den Irak. Kritische Stimmen von den Grünen
„Ich muß Ihnen leider sagen, daß Herr Volmer keine Interviews gibt. Aus Termingründen.“ Nein, auch ein noch so kurzes Telefongespräch sei nicht möglich. Es gebe einfach zu viele Termine. Ludger Volmer, grüner Staatsminister im Auswärtigen Amt, ließ sich von seinem Büro abschirmen.
So einfach konnte es sich sein Vorgesetzter nicht machen. Zwar ist Außenminister Joschka Fischer gerade wieder einmal auf Reisen und blieb daher von direkten Interview-Anfragen weitgehend verschont. Aber beim Pressetermin nach einem Treffen mit seinem irischen Amtskollegen David Andrews kam er um eine Stellungnahme zur Irakkrise nicht herum: Er bedaure, daß es zu einem Militäreinsatz gekommen sei, erklärte der Politiker von Bündnis 90/Die Grünen in Dublin. Die Verantwortung dafür aber trage „in vollem Umfang“ Saddam Hussein. Der Irak müsse auf die Herstellung von Massenvernichtungswaffen verzichten und alle UNO-Resolutionen erfüllen.
Diese mit Spannung erwartete Erklärung stellte klar: Der rot- grüne Koalitionsfriede bleibt – zumindest in dieser Frage – gewahrt. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte sich bereits am frühen Morgen ähnlich geäußert. Saddam Hussein habe wissen müssen, daß die Völkergemeinschaft sein Verhalten nicht hinnehmen werde. Die Solidarität Deutschlands mit den USA und Großbritannien stehe außer Frage. Auch Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) sagte in Brüssel, es habe in einer „offenen und konstruktiven“ Sitzung seiner Nato-Kollegen „klare politische Rückendeckung für die USA“ gegeben. „Wer es mit internationalem Recht ernst meint, kann nicht hinnehmen, daß eine verbrecherische Diktatur testet, wie weit sie gehen kann.“
Die Vorgaben von Schröder und Scharping brachten vor allem Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen in eine heikle Situation. Einerseits ist die Neigung zu einem offenen Konflikt mit dem sozialdemokratischen Koalitionspartner gering. Andererseits hatten sich die Fachleute der Fraktion strömungsübergreifend stets eindeutig gegen Militäreinsätze ohne UN- Mandat ausgesprochen – eine Haltung, die gestern auch die Parteisprecherinnen Gunda Röstel und Antje Radcke zum Ausdruck brachten. Die Luftangriffe auf den Irak fänden „ohne Legitimation durch den UN-Sicherheitsrat statt. Dies ist in hohem Maße bedauerlich und völkerrechtlich bedenklich. Wir erwarten deshalb, daß die USA die militärischen Aktionen so schnell wie möglich beenden“, hieß es in einer Stellungnahme.
Kritisch äußerten sich auch die Fraktionsvorsitzenden Kerstin Müller und Rezzo Schlauch. Die Luftangriffe stellten „keinen Beitrag zur Lösung der Krise dar“. Sie seien „ohne völkerrechtliche Grundlage. Es besteht die Gefahr, daß die UNO so auf ein Abstellgleis befördert wird.“ Die verteidigungspolitische Sprecherin Angelika Beer bedauerte, daß Warnungen von UN-Generalsekretär Kofi Annan vor militärischen Schritten nicht beachtet worden seien. Auch der außenpolitische Sprecher Helmut Lippelt ließ Zweifel an Rechtmäßigkeit und Erfolgschancen des Militäreinsatzes erkennen.
Scharf verurteilt wurden die Luftangriffe vom außenpolitischen Sprecher der PDS-Fraktion, Wolfgang Gehrcke. Die USA und Großbritannien hätten den Irak „in terroristischer Art und Weise“ überfallen. Ebenfalls um starke Worte, wenn auch entgegengesetzten Inhalts, bemühte sich die konservative Opposition. Der TV- Sender RTL zitierte Fraktionschef Schäuble mit dem Vorwurf, die Bundesregierung habe „mit ihren außenpolitischen Alleingängen Saddam Hussein erst zu seinem Verhalten ermuntert“. Später hieß es, dieses Zitat sei „aus dem Zusammenhang gerissen“.
Diese eigenwillige Deutung blieb allerdings eine Einzelstimme. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos bezeichnete die Angriffe auf den Irak lediglich als „voll gerechtfertigt“. Auch der sicherheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Günther Nolting, äußerte Verständnis für die Militäroperation. Der außenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Karl Lamers, schließlich zeigte Männermut mit Blick auf die ablehnende Haltung von Moskau und Peking gegenüber Militärschlägen: „Wenn man glaubt, man muß handeln, läßt man sich nicht durch Vorhaltungen von Russen und Chinesen abbringen.“ Bettina Gaus, Bonn
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