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Von der Gasquelle bis zum Gasherd

Die Ruhrgas AG will ihren gerade erworbenen 2,5-Prozent-Anteil am russischen Gasversorger Gazprom weiter aufstocken. Die Sicherung der Gaslieferungen aus Rußland steht dabei im Vordergrund  ■ Von Nicola Liebert

Berlin (taz) – Gestern unterzeichnete der Vorstandschef der Essener Ruhrgas AG in Moskau einen Kaufvertrag über Gazprom- Aktien: Für 1,1 Milliarden Mark erhielt Ruhrgas in einer Auktion als erster westlicher Investor einen Anteil von 2,5 Prozent an dem russischen Energieriesen. Diese Investition ist nach Unternehmensangaben das bisher größte Einzelengagement einer deutschen Firma in Rußland.

Schon bald will Ruhrgas mit der Gazprom-Tochter Gazexport ein Gemeinschaftsunternehmen gründen. Dieses deutsch-russische Joint-venture soll dann weitere 1,5 Prozent Gazprom-Anteile übernehmen, so daß Ruhrgas dann insgesamt vier Prozent der Gazprom- Aktien besitzen wird.

Neben der Beteiligung einigten sich Ruhrgas und Gazprom auch auf zusätzliche Gaslieferungen. Bis zum Jahr 2030 soll Gazprom ein Drittel des Gasbedarfs von Ruhrgas decken. Ruhrgas bezieht schon seit 25 Jahren Gas aus Rußland, dem Land mit den größten Erdgasvorkommen der Welt. Der Aktienerwerb „ist ein wichtiger Baustein für den weiteren Ausbau der Beziehungen zwischen unseren Unternehmen“, sagte Ruhrgas-Sprecher Klaus Walther, „und zugleich Ausgangpunkt für weitere Projekte mit der Gazprom.“

Über verläßliche Lieferverträge zu verfügen ist für Ruhrgas das wichtigste Argument für das verstärkte Engagement. Denn das Gasunternehmen rechnet mit steigendem Verbrauch von Gas, das als relativ umwelt- und klimaverträglicher Brennstoff gilt. Der Gasverbrauch wird in Deutschland deutlich zunehmen – vor allem dann, wenn zum Ausgleich für abgeschaltete Atomkraftwerke mehr Gaskraftwerke gebaut werden. Der Essener Konzern ist mit seinen Beteiligungen bestens gerüstet: von Gasquellen in der Nordsee und nun auch in Rußland über die Verteilsysteme bis zu Stadtwerken etwa in Berlin, Dresden und Essen, die Gas bis in die Wohnungen liefern. Ruhrgas will Deutschland zur Drehscheibe im europäischen Erdgashandel machen.

Unmittelbaren Einfluß auf die Gazprom-Aktivitäten wird Ruhrgas mit einem so geringen Anteil dagegen wohl nicht nehmen können. Erst ein Anteil von über fünf Prozent berechtigt zum Beispiel zu einem Sitz im Gazprom-Aufsichtsrat. Ob gemeinsame Investitionen mit Gazprom geplant sind, darüber gab Ruhrgas gestern keine Auskunft. Gazprom mußte seine Investitionen reduzieren, weil der Energielieferant Probleme damit hat, bei seinen russischen Abnehmern Außenstände in Höhe von fast 30 Milliarden Mark einzutreiben. So wurden die Mittel für den Ausbau des Jamal-Gasfeldes in Sibirien, aus dem im nächsten Jahrtausend Deutschland versorgt werden soll, um ein Drittel gekürzt.

Bislang hielt der russische Staat 40,9 Prozent der Anteile am ehemaligen Energiemonopol. Doch angesichts der Finanzkrise hatte die Regierung im Oktober beschlossen, durch den Verkauf von Gazprom-Aktien Geld in den Staatshaushalt zu bringen.

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