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Ein rot-grüner Platz an der Sonne

Schritt zur Energiewende: Die Regierung fördert den Solarstandort Deutschland in den nächsten Jahren mit über 900 Millionen Mark für 100.000 neue Solaranlagen  ■ Von Bernward Janzing

Die Chancen für eine Energiewende in Deutschland waren nie so gut: Mit dem Jahreswechsel startet Bonn das versprochene 100.000-Dächer-Solarprogramm. Erst im letzten Moment war es in den rot-grünen Koalitionsvertrag aufgenommen worden – jetzt wird es zum ersten großen Schritt der neuen Regierung. „Es ist das größte Förderprogramm für Solarstrom, das es je gegeben hat“, betonte gestern Hermann Scheer, der als SPD-Abgeordneter und Präsident der Europäischen Sonnenenergievereinigung Eurosolar das Programm durchgesetzt hatte.

Für Photovoltaikanlagen mit einer Mindestleistung von einem Kilowatt wird es vom 1. Januar an zinslose Kredite geben. Diese laufen bis zu zehn Jahre, davon werden die ersten beiden Jahre tilgungsfrei sein. Die letzte Rate wird dem Solaranlagenbetreiber schließlich sogar erlassen. Das entspricht einer Fördersumme von 37,5 Prozent und wird den Bund in den kommenden sechs Jahren 918 Millionen Mark kosten. Das Programm ist mit anderen Förderungen kumulierbar: Wer bereits Fördermittel bekommt, kann aus Bonn trotzdem Geld erhalten. Auch mit der kostendeckenden Vergütung sind die zinslosen Kredite vereinbar. Nur darf die Gesamtförderung nicht höher sein als der investierte Betrag.

Wenn sich die Bonner Hoffnungen realisieren, wird Deutschland in den nächsten Jahren zu einem bedeutenden Photovoltaik-Standort. Binnen sechs Jahren sollen 100.000 neue Solarstromanlagen mit zusammen 300 Megawatt entstehen. Zum Vergleich: 1998 wurden in der Bundesrepublik gerade acht Megawatt Photovoltaik installiert, die gesamte bisher installierte Leistung dürfte Ende 1998 knapp 50 Megawatt erreicht haben. Insgesamt beträgt der Anteil von Strom aus allen regenerativen Quellen derzeit etwa ein Prozent.

Die Solarwirtschaft hatte auf ein wirkungsvolles Förderprogramm sehnlichst gewartet. Vor der Bundestagswahl hatten viele Hausbesitzer ihre Investitionen zurückgestellt, weil sie sich von einem Regierungswechsel ein solches Programm erhofften. Entsprechend brach der Photovoltaikmarkt 1998 im Vergleich zu 1997 um etwa 30 Prozent ein.

Um der Branche nicht noch eine längere Durststrecke zuzumuten, die viele kleine Betriebe in den Ruin getrieben hätte, läßt die Bundesregierung ihr Programm bereits zum 1. Januar anlaufen. Wirtschaftsminister Werner Müller will so verhindern, daß „wie in der Vergangenheit Zukunftskapazitäten aus unserem Land abwandern“.

Für diese ungewöhnlich schnelle Aktion mußte man sich etwas Ungewöhnliches einfallen lassen, denn über den Haushalt ist noch nicht entschieden. Nun soll die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) das 100.000-Dächer-Programm vorfinanzieren. Das Verfahren soll unkomplizierter sein als alle bisherigen Förderprogramme. Die Anträge können bei den örtlichen Banken eingereicht werden, diese reichen sie an die KfW weiter, die schnell handeln soll. „Das ist der neue Stil“, freute sich gestern denn auch die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Michaele Hustedt: „Unbürokratisch, flexibel und wirksam“.

Offen ist derzeit noch, wer in den Genuß der Förderung kommen kann. Daß der Hausbesitzer zum Zuge kommt, ist keine Frage. Auch Betreiber von Gemeinschaftsanlagen können die Förderung in Anspruch nehmen, da es keine Obergrenze für die Anlagengröße gibt. Nur kleine und mittelgroße Gewerbebetriebe werden noch warten müssen. Sie können die Förderung erst bekommen, wenn die Kommission der Europäischen Union zugestimmt hat.

Einziger Schönheitsfehler: Das Programm gilt nur für Photovoltaik. An einer Förderung für thermische Solaranlagen wird gearbeitet, sie wird aber nicht vor Frühjahr anlaufen. Kommentar Seite 12

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