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Insolvenz ohne Insuffizienz

■ Justizsenator glaubt nicht an Überlastung der Gerichte. 100.000 Haushalte überschuldet

Justizsenator Ehrhart Körting (SPD) sieht nicht die Gefahr, daß die Gerichte in der Hauptstadt ab dem 1.Januar 1999 mit Insolvenzverfahren überrollt werden. Die Justiz habe sich auf die neue Insolvenzordnung vorbereitet und 131 Stellen, darunter 19 Richterstellen, für diese Verfahren geschaffen, sagte der Senator gegenüber ADN. Im ersten Jahr rechne er mit etwa 5.000 Insolvenzverfahren vor Gericht. Allein der Justizhaushalt werde dadurch 1999 mit rund 18,5 Millionen Mark belastet.

Die neue Insolvenzordnung umfaßt ein vierstufiges Verfahren, das zunächst immer die außergerichtliche Einigung anstrebt. Erst nach dem Scheitern dieses Versuchs ist die Anrufung des Gerichts möglich. Letztendlich kann dem Betroffenen die Restschuld erlassen werden, nachdem er sieben Jahre Wohlverhalten zeigt. Dazu muß er eine Vielzahl von Auflagen erfüllen, darunter die Abtretung seines Einkommens bis zur Pfändungsfreigrenze an einen Treuhänder, der es gerecht an die verschiedenen Gläubiger verteilt.

Aus Sicht von Praktikern kommt das Verbraucher-Insolvenzverfahren nur mühsam in Gang. Viele Gläubiger blockierten bisher die Bemühungen um eine außergerichtliche Einigung, sagte der Geschäftsführer des Vereins Julateg, Wolfgang Münzner. Zudem reichten Personal und finanzielle Mittel nicht aus, um dem Ansturm gerecht zu werden. Schuldner müßten derzeit Wartezeiten von mehreren Monaten in Kauf nehmen. Der gemeinnützige Verein betreibt zehn Schuldnerberatungsstellen in neun Berliner Bezirken mit rund 40 Mitarbeitern.

Nach Angaben Körtings gelten in Berlin derzeit rund 100.000 der 1,8 Millionen Haushalte als überschuldet. Er äußerte die Hoffnung, daß viele Betroffene von der neuen Verordnung Gebrauch machen. Während der Privatschuldner bisher 30 Jahre für seine Schulden haftete, habe er jetzt die Chance, von seinen Restschulden befreit zu werden und damit ein neues Leben zu beginnen. ADN

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