Im Strudel katastrophaler Spezialeffekte

Aus Wolfgang Clements Medien-Vorzeigeprojekt wurde ein Subventionsskandal. Immerhin fand der Regierungschef nun Investoren. Dafür werden Informationen gegen ihn offenbar aus den eigenen Reihen lanciert  ■ Von Georg Löwisch

Berlin (taz) – In der Düsseldorfer Staatskanzlei kriegten sie sich nicht mehr ein. Von wegen Flop. Fünf internationale Medienunternehmen übernähmen das Trickfilmstudio High-Definition Oberhausen HDO, verkündete Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) Mitte Dezember. Das Konsortium sei „ohne Beispiel“, unter den Investoren die kalifornische Firma Digital Domain. Die habe die Spezialeffekte für „den erfolreichsten Film aller Zeiten, ,Titanic‘, hergestellt“, schrieb der Regierungschef in eine Pressemitteilung, in der das Wort „Weltspitze“ gleich dreimal vorkommt.

Clements Erleichterung ist verständlich. Monatelang hatte die CDU-Opposition mit HDO ausgerechnet eines seiner Lieblingsprojekte als „größten Skandal der Wirtschaftsförderung in Nordrhein-Westfalen“ gebrandmarkt. Selbst der Bayernkurier der Amigo-erprobten CSU wagte sich vor. „Clements rot-roter Genossenfilz“, höhnte das Parteiorgan, habe für 105 Millionen Mark Fördermittel nur 25 Arbeitsplätze geschaffen. Weil unklar ist, wo ein Drittel des Geldes blieb und ob die Subventionen rechtmäßig flossen, ermittelt die Staatsanwaltschaft. Der Landtag hat einen Untersuchungsausschuß eingerichtet, der am Mittwoch erneut zusammentritt.

Die gebeutelten Standortförderer um Clement entlastet es enorm, daß sie wenigstens Investoren vorweisen können. Der Erfolg sei jetzt erkennbar, sagt SPD-Fraktionsvize Adolf Retz, der im Untersuchungsausschuß sitzt: „Insofern kann die Idee nicht schlecht sein.“

Doch der Ärger kommt in besonders unangenehmer Form zurück. Bisher verteidigten sich der Regierungschef und seine SPD in gewohnter Geschlossenheit. Jetzt offenbart sich aber, daß gegen sie Informationen aus den eigenen Reihen lanciert werden.

Kaum war die Nachricht von den fünf Investoren verkündet, erhielt der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Laurenz Meyer (CDU) Post. Ein Umschlag ohne Absender enthielt eine interne Dienstanweisung aus dem Wirtschaftsministerium vom 16. Oktober. Darin macht ein Abteilungsleiter seine Beamten auf Probleme aufmerksam, die entstehen können, wenn Subventionen vorzeitig, also ohne tatsächlichen Bedarf, abgerufen werden. Gegebenenfalls könne „die weitere Frage einer Strafanzeige wegen des Verdachts auf Betrug bzw. Subventionsbetrug auftreten“, heißt es mahnend.

Handschriftlich waren auf das Ministeriumsschreiben die Buchstaben „HDO“ gekritzelt, womit der Absender den Abgeordneten im Untersuchungsausschuß wohl sagen wollte, daß sie in der Affäre um das Trickfilmzentrum genau in dieser Richtung ermitteln sollten: der illegale vorzeitige Abruf von Fördergeldern. Dazu passen Informationen, die dem Magazin Focus zugespielt wurden. Demnach hat das HDO-Management vor drei Jahren Zuschüsse in Millionenhöhe abgerufen, obwohl die Bauarbeiten am Gebäude noch nicht entsprechend fortgeschritten waren. Beamte des zu dieser Zeit von Clement geführten Wirtschaftsministeriums hätten zu dem verbotenen Schritt ermuntert, damit ein millionenschwerer Anteil an Bundeszuschüssen nicht verlorengehe.

An den Informationen, die dem Ausschuß zugespielt wurden, ist vor allem die Herkunft brisant. Denn einiges deutet darauf hin, daß sie direkt aus dem Wirtschaftsministerium stammen. So trägt das hausinterne Schreiben vom Oktober den Stempel des Wirtschaftsministeriums im Original. Auch SPD-Mann Retz schwant: „Es kann nur jemand abgeschickt haben, der in einem solchen Dienstablauf steckt.“

Schon vorher wunderte sich die SPD, wieso die Opposition so gut informiert war. Allerdings hätte das Material genausogut aus anderen Verzweigungen des Geflechts um HDO stammen können, zu dem jede Menge Firmen, die Sparkasse und die Stadt Oberhausen gehören. Er habe Informationen „in der Straßenbahn gefunden“, antwortete der CDU-Politiker Lothar Hegemann einmal, als die SPD ihn nach seinen Quellen fragte. Nun ist mehr oder weniger klar, daß es auch Regierungsbeamte sind, die Clement schaden wollen. Hegemann triumphiert mittlerweile lauthals, es würden durchaus auch Informationen vorab aus den Häusern zugespielt: „Dann wissen wir schon vorher, was die Regierung eigentlich an Material vorlegen müßte.“

Der Untersuchungsausschuß wird wohl bis zum Ende der Legislaturperiode im Mai 2000 tagen. Für die CDU, die die letzte Wahl mit 37 Prozent der Stimmen verlor, ist das der reinste Wahlkampfknüller – womöglich mit einer Vernehmung Clements als Spezialeffekt. SPD-Fraktionsvize Retz möchte nicht wahrhaben, daß die Affäre Schaden anrichtet: „Die Details sind für Außenstehende nicht mehr nachvollziehbar.“ Die CDU sieht das anders. „Jeder weiß, daß das eine Sauerei ist und der Clement beteiligt ist“, sagt Lothar Hegemann. Er schwärmt von einer ewigen Fortsetzung des Spektakels: „Da tun sich immer neue Stories auf.“ Selbst Clements grüne Koalitionspartner können sich kaum zurückhalten. HDO stehe „für einen bestimmten Stil der Quick-Fix-Politik, wie ihn so mancher sozialdemokratischer Ministerpräsident liebt“, stichelt Fraktionssprecher Roland Appel: „Insofern trifft es die SPD in diesem Punkt bitter.“