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Jolly Roger überm Roland

■ Bremen als Piratenstadt: Während ein einsamer Aktivist für ein Seeräubermuseum in der Weserburg kämpft, plant das Überseemseum im Jahr 2000 die ganz große Schau

Er ist der Schrecken der Stadtplaner, Ortsbeiräte und Museumsleute: Alfred Taake. Keine Versammlung, in der der selbsternannte Stadt- und Kulturentwickler nicht seine Idee anpreist. Eine atemberaubende Chance, beschwört der Eisenbahner im Ruhestand, drohe wegen der „Kulturmafia“ und der Laschheit der Tourismus-Lobbyisten verschlafen zu werden: Taake träumt von einem Weser-Hanse-Koggen-Seeräuber-Museum an der demnächst durch einige historische Schiffe maritim aufgerüsteten Schlachte. In derzeit noch leerstehenden Räumen im Museum Weserburg, die demnächst mit städtischen Zuschuß zum Restaurant hergerichtet werden, könnten Exponate zu Bremens Seefahrergeschichte, der Hanse und eben der Seeräuber geschafft werden. „Die Leute wollen sowas doch sehen“, ist Taake überzeugt.

Des Ex-Bahners Leidenschaft für die Piraterie teilen freilich auch andere in der Stadt, denen der 64jährige ansonsten eher auf die Nerven fällt. Und weil auch Wirtschaftsförderer wissen, daß nicht nur die Kinder unter den Bremen-Besuchern nach der Enttäuschung angesichts der kleingeratenen Stadtmusikanten ihren Bummel durch Schnoor und Böttcherstraße gern mit einem gruseligen Blick in die Seeräubergeschichte verbinden würden, ist das Thema ernsthaft im Gespräch.

Im Übersee-Museum arbeitet Dr. Hartmut Roder mit weiteren Historikern an einer Mega-Ausstellung über die Freibeuter. Unter dem Titel: „Die Herren der sieben Meere“ soll die Schau am 15. Mai 2000 eröffnet werden. Im Mittelpunkt der Konzeption steht ein echtes Piratenschiff, die „Whyda“, die in ihren 29 Meter langen Originalmaßen in Leichtbauweise vor dem Museum aufgestellt werden könnte. Im ersten Lichthof stellt sich Roder eine begehbare Sektion der spanischen Galeone vor, die der Pirat Sam Bellamy 1715 in der Karibik gekapert und zu seinem Flaggschiff gemacht hatte. Zwei Jahre später war das Schiff mit Mann, Maus und Schatz im Sturm vor der Küste des US-Bundesstaates Massachussets gesunken. 1984 wurde das Wrack entdeckt, seither haben Taucher rund 1.000 Gegenstände geborgen. Andere Originalexponate aus der Glanzzeit der Piraterie, als die Korsaren der Karibik teils mit, teils ohne königlichen Kaperbrief hauptsächlich spanische Schiffe aufbrachten, will Roder aus Kuba, Mexiko und Jamaica besorgen.

„Natürlich müssen wir viel ins-zenieren“, weiß der Ausstellungsmacher. Denn wie es sich für ein kurzes, wildes Piratenleben gehört, haben die harten Männer nur wenig Irdisches hinterlassen. „Wenn sie es nicht versoffen oder verhurt haben, sind sie damit abgesoffen“, sagt Roder.

Weiteres Thema in der Übersee-Ausstellung soll die Piraterie von heute sein. 1997 wurden 51 Menschen von Seeräubern umgebracht, der Schaden wird von Reedern auf 10 Milliarden Mark geschätzt. Auch Bremens Bezug zur Seeräuberei wird angesprochen. Piraten wie Störtebecker, Johann Hollmann oder Balthasar van Esens trieben lange vor der karibischen Seeräuber-Hausse in Nord- und Ostsee ihr Unwesen. Hollmann war sogar ein geachteter Bremer Bürger mit einem Haus an der Schlachte. Im 14. Jahrhundert verbündete er sich mit dem Erzbischof von Oldenburg und putschte gegen die bis dahin bestimmenden Herren im Rat. Weil er sich dabei auch mit einigen handwerklichen Zunftmeistern zusammengetan hatte, will Alfred Taake dem „Johann von der Slaite“ gerne ein Denkmal als Sozialrevolutionär – der er wohl nicht war – errichten.

Das zweite Bremer Thema im Überseemuseum widmet sich den Überfällen auf bremische Segler vor der „Barbaresken-Küste“ vor Algier und Tunis im 18. und 19. Jahrhundert.Dabei wurden immer wieder Bremer Seeleute von den Arabern als Sklaven auf die Galleeren geschickt. Die Bremer Reeder hatten eigens eine Sklavenkasse, um ihre Leute wieder auszulösen. Diese war aber chronisch leer, also mußten viele Stadtkinder in Arabien versauern. Weil viele nach einiger Zeit freikamen, blieben sie nicht immer ungern, wie neue Forschungen in Roders Team ergeben haben. „Viele Seeleute wollten nicht mehr zurück“, sagt Roder. Schließlich waren es meist arme Teufel, die auf den Bremer Schiffen hart unter der Knute standen und denen es bei den „Barbaresken“ besser ging.

Ob die Ausstellung tatsächlich so üppig wie von Roder geplant stattfindet, ist noch nicht ganz sicher, die Entscheidung muß in den kommenden Wochen fallen. Im Übersee-Museum will man die Sache entweder groß oder gar nicht aufziehen, schließlich dürfe man „nicht nur irgendwie den Mythos bedienen“. Wirtschaftsförderer und Innenstadtkaufleute scheinen jedoch durchaus bereit zu sein, Bremen zwei Wochen vor dem Expo-Start unter den „Jolly Roger“, die Piratenfahne, zu stellen. Auch an der Schlachte könnte seeräubermäßiges Gepräge die Menschen beglücken. Und später käme vielleicht auch der geschmähte Visionär Alfred Taake zu einem Seeräubermuseum. „Ich gehe davon aus, daß etwas auch dauerhaft an der Schlachte bleibt“, sagt Roder, ein Piratenschlupfwinkel, von dem aus historische Schiffe über die Weser segeln. Bei der Bremer Tourismus-Zentrale hat man sich zwar „noch gar keine Gedanken“ über eine solche Attraktion gemacht, wie Vertriebsleiterin Martina Ziesing einräumt. Wenn es aber da wäre, könnte ein Seeräubermuseum „ein touristisches Highlight sein“. fog

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