piwik no script img

„Ich hatte nur gutwillige Motive“„

■ Lehrer wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schülerin zu einer Geldstrafe von 25.000 Mark verurteilt. Er unterrichtet weiter.

Der Angeklagte, ein 52jähriger Deutschlehrer, der sich gestern vor dem Amtsgericht wegen sexuellem Mißbrauchs von Schutzbefohlenen verantworten mußte, bat das Gericht um Milde. „Ich habe rechtsverbindliche Regeln verletzt und ein Stück weit bitter dafür bezahlt. Ich bitte um ein gewisses Maß an Nachsicht.“

Sechs Mal war der Lehrer mit seiner 15jährigen Schülerin an den Achterdieker-See gefahren. Im Auto küßte er die Schülerin mit ihrem Einverständnis und streichelte ihre Brust. Als das Mädchen 16 Jahre alt war, machte er mit ihr Petting. Die Version des Lehrers: „Es kam zu einem gesteigerter Austausch von Zärtlichkeiten.“

Die Schülerin sei ihm aufgefallen, weil sie „sehr unsicher“ und „leicht verstört“ gewesen sei. Er habe sich deshalb besonders um sie gekümmert. Der Lehrer schlug dem Mädchen vor, für die Schülerzeitung zu schreiben. „Ich wußte aus meinem pädagogischen Repertoire, daß soetwas das Selbstbewußtsein stärkt.“ Doch in den Sommerferien schrieb das Mädchen ihm, daß sie Angst vor ihm habe. „Ich habe mich gewundert und wollte mit ihr reden. Mir war klar, daß sie im schulischen Raum nichts sagen würde. Ich habe ihr deshalb eine Fahrt um die Ecke angeboten.“ Das Mädchen erzählt dem Lehrer von ihren Schwierigkeiten mit den Eltern, daß sie nichts mehr ißt und nur noch Brausetabletten zu sich nimmt. Außerdem droht sie mit Selbstmord.

Immer öfter fährt der Lehrer mit ihr an den See. Als die Schülerin wieder einmal sehr verzweifelt ist, streichelt er ihr über den Kopf und küßt sie.

Auf einer Konferenz wundern sich die anderen Lehrer, warum die Schülerin immer verschlossener wird. Der Angeklagte übernimmt es, den Eltern zu schreiben. Ihre Tochter sei magersüchtig, schreibt er den Eltern und bietet seine Hilfe an. Der Lehrer spricht mit dem Vater und verspricht, das Mädchen zu beobachten und die Eltern auf dem laufenden zu halten. Doch die Schwierigkeiten zu Hause werden schlimmer. Das Mädchen hängt sich immer mehr an den Lehrer. Sie schreibt ihm „liebe kleine Zettel und Briefe“. Er fährt mit ihr an den See. Er streichelt sie an der Brust und zwischen den Beinen. Vor Gericht sagt er: „Ich wollte sie einfach nicht hängenlassen.“ Seine Frau sei damals schwer krebskrank gewesen. „Ich habe da ein Stück weit dem Druck des Alltags entfliehen können. Das war ein kurzes Auf- und Durchatmen. Ich habe mich ein Stück weit angenommen gefühlt und konnte mich fallenlassen.“

Das Mädchen fühlt sich dagegen ausgenutzt. Sie vertraut sich ihren Mitschülerinnen an. „Sie hat dafür gesorgt, daß ich wütende Anrufe bekam“, sagt der Lehrer. Die Schülerin geht zum Schulleiter. Nachdem der Pädagoge erst alles bestreitet, gesteht er. Er muß die Schule verlassen. Heute unterrichtet er an einem anderen Schulzentrum fünfte, sechste und siebte Klassen. Der Schulleiter und ein Mitarbeiter eines Freizeitheimes legen dem Mädchen nahe, keine Anzeige zu erstatten. In Briefen, die vor Gericht verlesen werden, loben sie den Lehrer allerdings. Der Pädagoge des Freizeitheimes schreibt: „Ich halte ihn trotz allem für einen guten Lehrer.“ Der Schulleiter rügt das unentschuldbare Verhalten und bedauert „die Lücke“, die der Weggang des Lehrers gerissen habe.

„Sie haben versucht, das Ganze herunterzuspielen“, wirft die Staatsanwältin dem Lehrer vor. „Das Mädchen, daß wir hier vor uns haben, ist eindeutig noch ein Kind und keine Frau.“ Zudem sei der erste sexuelle Kontakt für eine Frau „sehr prägend“. „Auch wenn sie der Welt entfliehen wollten, dürfen sie als erwachsener Mann sich dafür nicht eines 15jährigen Mädchens bedienen.“ 34.500 Mark Geldstrafe hält sie für angemessen. Die Anwältin der Schülerin fordert Freiheitsstrafe. Der Lehrer habe das Vertrauen des Mädchens, die aufgrund ihrer schwierigen Lage „bedürftig nach Zuneigung“ gewesen sei, ausgenutzt. Das sieht auch der Richter so und verurteilt den Lehrer zu einer Geldstrafe von 25.200 Mark. Der Lehrer entschuldigt sich bei der Schülerin: „Ich hatte nur gutwillige Motive. Wenn Du jetzt leidest, daß war nie das Ziel.“ kes

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen