„Klagen der früheren Jahre zurücknehmen“

■ SPD-Abgeordneter Klaus Wiesehügel: Das 100.000er Programm bietet zusätzliche Stellen

taz: Die Jugendlichen sitzen in der Schule, hören von dem Job- Programm für 100.000 junge Leute und denken – das sind reguläre Arbeitsplätze für uns: Ist das denn so?

Klaus Wiesehügel: Zunächst ist das Programm so ausgelegt, daß 100.000 Arbeitsplätze für junge Leute geschaffen werden, die zur Zeit unversorgt sind. Also genau die, die aus der schlechten Situation 1998 keine Möglichkeit hatten, einen Arbeits- und Ausbildungsplatz zu bekommen.

Kann man denn zwischen den 98er Jugendlichen und denen, die dieses Jahr keine Stelle finden, unterscheiden?

Es gibt detaillierte Listen darüber, wer unversorgt ist. Diese Leute werden gezielt angesprochen. Und ich habe in meinem Wahlkreis selbst einmal beim Arbeitsamt nachgefragt: Es werden in der Tat zusätzliche Maßnahmen angeboten. Das Arbeitsamt kooperiert eng mit Trägern vor Ort, die solide Projekte anbieten. Das ist keine Luftnummer.

Als Gewerkschaftsboß beklagten Sie stets den Effekt, daß eine zu früh annoncierte Stelle in einem Feuerwehrprogramm andere, reguläre Stellen bei der Wirtschaft geradezu vernichtet.

Im Augenblick müssen wir das Klagen der früheren Jahre zurücknehmen: Die Not der junge Leute geht vor. Die müssen in Jobs gebracht werden. Ich sehe auch keinen der sogenannten Mitnahmeeffekte. Das Geld wird ja nicht verwendet, um normale Lehrstellen der Wirtschaft auch noch mit einer Kopfprämie zu belohnen.

Ihr ehemaliger Gewerkschaftskollege, Arbeitsminister Walter Riester, hat die Jobs angeboten – staatlich finanziert! Wäre es nicht besser gewesen, erst mal das Kapital, die Unternehmen an die Kandare zu nehmen?

Nein, wir hatten das zweistufig angekündigt: Das erste war das Wahlversprechen der SPD, die dringend erforderlichen Jobs anzubieten. Das haben wir gehalten. Die zweite Stufe wird die „Offensive 1999“. Da geht es darum, erst gar nicht so eine Situation wie in den letzten Jahren entstehen zu lassen – und allen Jugendlichen, die aus der Schule kommen, wirklich eine Stelle anzubieten. Das geht nicht nur über zusätzliche Mittel, sondern über Vereinbarungen im Bündnis für Arbeit. Eine Untergruppe Bildung arbeitet schon daran. Ich bin zuversichtlich.

Unsere Recherchen haben ergeben: Die angeblich so neu eingerichtete Hotline, über die Jugendliche Hilfe suchen, ist eine simple Anrufweiterschaltung zum Arbeitsamt? Ein billiger PR-Trick?

Das ist mir nicht bekannt.

Die kleinen szenenahen Projekte, die wirklich auch mit jugendlichen Aussteigern umgehen können, kriegen von dem Geldregen nichts ab. Warum ist das so?

Das hängt sehr stark von den örtlichen Arbeitsämtern ab. Aber da gibt es keine Verweigerung für bestimmte Anbieter.

Was ist eigentlich in einem Jahr oder in zweien, wenn die Jugendlichen ihre Warteschleife in dem Programm gedreht haben?

Die Wirtschaft ist in der Verantwortung. Das duale System kann nur funktionieren, wenn sie wirklich Ausbildungs- und Arbeitsplätze zur Verfügung stellt. Interview: Christian Füller