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Bündnisgrüne Aussichten am Himmel über Berlin-Mitte

■ Die Heinrich-Böll-Stiftung residiert seit knapp zwei Jahren in den Hackeschen Höfen. Mit dem 63-Millionen-Mark-Etat werden hauptsächlich Auslandsprojekte und Bildungsarbeit gefördert

Seit März 1997 residiert die der Partei Bündnis 90/Die Grünen nahestehende Heinrich-Böll-Stiftung in den traditionsreichen Hackeschen Höfen nahe dem Alexanderplatz. In den schick renovierten Gewerbehöfen aus der Zeit der Jahrhundertwende belegt die Stiftung Räume in den oberen drei Geschossen samt einer gläsernen Galerie mit einem Veranstaltungssaal unter dem Dach – Chiffre für den „Überblick“ über die sozialen, politischen und kulturellen Themen der Stadt sowie der Stiftung selbst.

Waren es 1997 noch 125 hauptamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, so arbeitet die Heinrich-Böll-Stiftung heute mit rund 140 Beschäftigten und einem Etat von 63 Millionen Mark gegenüber 1997 von 57 und 1998 von 60 Millionen Mark.

Die Mittel entstammen im wesentlichen den Zuwendungen des Bundesinnenministeriums, das die parteinahen Stiftungen subventioniert. Zum Vergleich: Die SPD- nahe Friedrich-Ebert-Stiftung konnte 1997 mit 669 Mitarbeitern auf einen Etat von über 220 Millionen Mark für ihre Projekte und Veranstaltungen zurückgreifen. Die kleinere FDP-nahe Friedrich- Naumann-Stiftung brachte es 1998 auf Zuwendungen von knapp 82 Millionen Mark. Derzeit berät die PDS über die Gründung ihrer Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Die Böll-Stiftung leiten als Vorstände der einstige Bremer Umweltsenator Ralf Fücks, die ehemalige Weimarer Kommunalpolitikerin und Mitbegründerin des Unabhängigen Frauenverbandes der DDR, Petra Streit, und die Politologin Claudia Neusüß. Gewählt wird der Vorstand von der Mitgliederversammlung, dem obersten Beschlußorgan der Stiftung.

Hervorgegangen ist die Heinrich-Böll-Stiftung 1996/97 aus der Fusion der drei früheren in Köln, Hamburg und Göttingen parteinahen Stiftungen des Stiftungsverbundes „Regenbogen“ mit der Heinrich-Böll-Stiftung, der Frauen-Anstiftung und dem Buntstift. Ebenso wie die anderen parteinahen Institutionen unterhält die Heinrich-Böll-Stiftung in den Bundesländern auch Landesbüros, die weitgehend eigenständig agieren können.

Auch in der Berliner Zentrale sollen die Grundsätze des einstigen dezentralen Verbandes beibehalten werden. Über die Hälfte der Mittel fließt in Förderprogramme im Ausland, insbesondere in NGO-Projekte und die Arbeit von Umwelt-, Frauen-, Demokratie- und Friedensgruppen. Traditionell engagiert ist die Stiftung immer noch in Süd- und Lateinamerika, besonders in El Salvador, Brasilien und Nicaragua. Sie hat weitere Büros in Washington, Brüssel und Tel Aviv eröffnet und plant, verstärkt in Südostasien und Afrika aktiv zu werden.

Im Inland wird der überwiegende Teil der Mittel für die Bildungsarbeit und für politische und kulturelle Projekte und Veranstaltungen der Zentrale sowie der 16 Landesstiftungen aufgewendet. Hinzu kommt die Unterstützung des Stipendienprogramms für das Studienwerk der Heinrich-Böll- Stiftung.

Die Bildungsarbeit der Stiftung besetzt als Schwerpunkte noch immer die Themen Frauenpolitik, Menschenrechte und Ökologie, aber jetzt auch gewichtiger die Felder neue Arbeit und Zukunftstechnologien, Soziales, Europäische Währungsunion, Ostdeutschland und -europa.

Zu den Perspektiven der Heinrich-Böll-Stiftung – und Lieblingsprojekten besonders von Ralf Fücks – zählen das „Grüne Gedächtnis“, die Sammlung von Archivalien und Sammlungen der grünen Partei, die derzeit noch in Köln lagert und nach Berlin umziehen soll, und die 1998 gegründete „Grüne Akademie“. Diese soll wissenschaftliche und handlungsorientierte „Anstöße für reformpolitische Diskussionen“ und Themen zur Nachhaltigkeit und Demokratisierung liefern. Eine Parteihochschule dagegen wird sie nicht sein. rola

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