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Deckel auf den Gifteintopf

Dioxin-Müllkippe im Moorfleeter Brack soll nach neun Jahren endlich abgedichtet werden – hauptsächlich auf Kosten der Stadt  ■ Von Gernot Knödler

Die Hamburger Politik macht sich daran, eine weitere Altlast des Pharma-Konzerns Boehringer Ingelheim zu beseitigen: Seit mehr als neun Jahren ist bekannt, daß auf der Mülldeponie „Moorfleeter Brack“ hochgiftige Chemikalien, darunter das Seveso-Gift Dioxin, abgekippt worden sind. Jetzt soll mit der Sanierung begonnen werden.

Der Gift-Cocktail auf der alten Müllkippe zwischen dem Sandwisch und dem Moorfleeter Deich hat es in sich. Zwischen Kühlschränken, Plastiktüten und Autoreifen warten Reste der Pflanzenschutzmittelproduktion von Boehringer darauf, ins Grundwasser gespült zu werden. Chlorbenzol ist dabei, Hexachlorcyclohexan – bekannt und inzwischen verboten unter dem Namen „Lindan“ – sowie „2,3,7,8 TCDD“, also Dioxin. Samt und sonders sind sie „gesundheitsschädlich bis krebserregend“, wie Brigitte Köhnlein von der Umweltbehörde sagt.

Die Belastung des Bodens ist zum Teil ungeheuer. An manchen Stellen des Geländes, das mit 1,7 Hektar etwa so groß ist wie anderthalb Fußballplätze, ergaben Proben einen Dioxin-Gehalt von 0,87 Milligramm pro Kilogramm Erde. Ein Milliardstel Milligramm galt dem inzwischen aufgelösten Bundesgesundheitsamt als noch vertretbare Tagesdosis pro Kilogramm Körpergewicht.

Von den insgesamt 73.000 Kubikmetern Deponieinhalt sind nach Angaben der Umweltbehörde 3300 in drei bis vier Metern Tiefe hochgradig verseucht und sollen ausgehoben werden. Ihre Entsorgung ist ausgeschrieben. Weil auch weiter unten in der Deponie noch Gifte lauern, soll außerdem eine 30 Meter tiefe, wasserundurchlässige Wand um die Deponie gezogen und darüber ein Deckel aus Kunststoff gelegt werden. Auf diese Weise ist bereits das ehemalige Werksgelände von Boehringer in Moorfleet künftigen Generationen anvertraut worden.

16 Millionen Mark werden die Arbeiten laut Umweltbehörde insgesamt kosten. Den Löwenanteil tragen die Hamburger und Hamburgerinnen; Boehringer steuert 1,5 Millionen bei. Diese Summe sei im September 1990 als Teil eines fünfeinhalb-Millionen Mark schweren Pakets für die Deponien Moorfleeter Brack und Müggenburger Straße vereinbart worden, erklärt Boehringer-Pressesprecher Arnold Kastenholz. Er sieht seine Firma damit aus dem Schneider. „Wir sind politisch und juristisch seit längerem mit der Freien und Hansestadt Hamburg im Benehmen“, sagt er. Verantwortung und Federführung für die Sanierung lägen jetzt bei der Umweltbehörde.

Diese begründet ihre jahrelange Untätigkeit damit, daß wegen der komplizierten geologischen Gegebenheiten viele Untersuchungen nötig gewesen seien. Zudem sei die Müllkippe Moorfleeter Brack nicht die einzige Altlast in Hamburg, gibt Behördensprecherin Köhnlein zu bedenken. „Bei jeder dieser Maßnahmen kann man sagen: Das hätte man viel früher machen müssen.“

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