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Cohn-Bendit: Stur geradeaus ist nicht der grüne Weg

■ Der grüne Spitzenpolitiker liest seiner Partei die Leviten und fordert mehr grüne Flexibilität: Die Regierung sei kein Verein „bibeltreuer Katecheten“. Auch in der SPD wächst die Selbstkritik. Lafontaine beschwert sich über den Stil des Kanzleramts

Berlin (taz) – Daniel Cohn-Bendit, Weggefährte von Außenminister Joschka Fischer und Europaspitzenkandidat der französischen Öko-Partei, warnt die Bündnisgrünen vor einer politischen Erstarrung. Eine Regierung sei „keine Vereinigung bibeltreuer Katecheten“, schreibt Cohn-Bendit in einem Beitrag für die taz. Der Bündnisgrüne fordert seine Partei auf, sich flexibler zu zeigen und um Mehrheiten in der Gesellschaft zu ringen. Das gelte sowohl in der Frage der weiteren Zukunft der Kernenergie als auch beim neuen Staatsbürgerschaftsrecht. Beide Themen treffen nach Ansicht des Grünen- Politikers „allenfalls auf zögerliche Bereitschaft“ in der Bevölkerung und verfügten keinesfalls über bedingungslose Mehrheiten. „Um so mehr ist der gesellschaftliche und politische Dialog zu suchen.“

Deshalb ruft Cohn-Bendit bei der Reform der Staatsbürgerschaft seine Partei auf, eine „möglichst breite parlamentarische Mehrheit“ zu suchen. In den Augen des langjährigen Leiters des Amtes für multikulturelle Angelegenheiten in Frankfurt am Main droht die doppelte Staatsbürgerschaft „zum Fetisch für Gesinnungsethiker zu werden“. Im Vergleich zum Kern des Reformvorhabens, nämlich der Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft an die Kinder von Zuwanderern, gehöre der Doppelpaß „eher zum Kleingedruckten“.

Hart ins Gericht geht Cohn-Bendit mit den inhaltlichen Defiziten seiner Partei. „Im Hinblick auf die Zukunft sind die Grünen leider nicht mehr erste Adresse“, lautet sein Fazit. Zwar hätten Finanz-, Sozial- und Haushaltspolitiker beherzte Vorschläge gemacht, wie der Arbeitslosigkeit und dem brüchigen Generationenvertrag begegnet werden könne. Die grüne Mentalität habe ihnen aber nicht erlaubt, über die Ökosteuer hinaus eine „prägnante Modernisierungsstrategie zu entwerfen, die soziale Verantwortung und individuelle Entfaltung auf einen Nenner bringt“. Schuld ist für Cohn-Bendit das Parteimilieu, das sich „behaglich in seinem Neubau aus den achtziger Jahren“ eingerichtet hat.

Der Blick der Sprecherin des Bundesvorstands, Gunda Röstel, richtet sich währenddessen eher auf den Koalitionspartner als auf die eigenen Reihen. Der Ton, den Gerhard Schröder angeschlagen habe, sei für die rot-grüne Koalition nicht dienlich: „Das bringt beide Parteien nicht weiter.“ Röstels Kritik zielte insbesondere auf die Bemerkung Schröders, die Grünen bräuchten „mehr Fischer, weniger Trittin“.

Auch im Kreis linker SPD-Bundestagsabgeordneter wurde der Umgang der Koalition bemängelt. „Wir leiden alle darunter, daß Themen unprofessionell behandelt werden“, so ein Abgeordneter, der seinen Namen nicht erwähnt sehen wollte, zur taz. Auch Parteichef und Finanzminister Oskar Lafontaine äußerte intern seinen Unmut. Bei einem Treffen linker SPD-Abgeordneter in Bonn erklärte er, wenn er „nur aus der Zeitung erfahre, wie der Atomausstieg läuft, ist es mir nicht möglich, eine klare Politik vorzugeben“. Mit Verweis auf das Kanzleramt – und damit auf Schröder – sagte er, langsam sei eine Grenze erreicht. sev/maf

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