: Satanischer Valentinstag für Rushdie
■ Zehn Jahre Fatwa, zehn Jahre im Versteck: Morgen, am Valentinstag, jährt sich der Mordaufruf der iranischen Mullahs gegen Salman Rushdie. Das Leben des Autors der „Satanischen Verse“ ist nach wie vor bedroht
Berlin (taz) – Salman Rushdie muß auch zehn Jahre nach dem Mordaufruf Ajatollah Chomeinis um sein Leben fürchten. Fanatische Muslime verbrannten gestern in der indischen Hauptstadt Neu- Delhi eine Puppe, die den Verfasser der „Satanischen Verse“ darstellte. Damit protestierten sie gegen den geplanten Besuch des britisch-indischen Schriftstellers, der sich infolge der Fatwa aus Teheran jahrelang verstecken mußte.
Am Valentinstag 1989 begann das „zweite Leben“ des Salman Rushdie. Sein Leben im Versteck wurde zwar im September 1998 etwas erträglicher, als Irans vergleichsweise moderater Präsident Mohammad Chatami die Rushdie- Affäre für „beendet“ erklärte. Dennoch lebt der Geist des verstorbenen Ajatollah weiter. Nach wie vor, das zeigen die wütenden Proteste gegen den Heimatbesuch Rushdies in Indien sowie die Beteuerungen einiger konservativer Hardliner in Teheran, muß Rushdie mit seiner Ermordung rechnen.
Immer noch unter diskretem Polizeischutz, taucht Rushdie inzwischen schon mal in Londoner Top-Restaurants auf. Er führe nun das Leben eines „freien Mannes, der frei seiner Arbeit nachgeht“, schrieb er kürzlich über sich. In seinen Geschichten und Erzählungen suche er nun viel öfter nach einem „Happy-End“. Literarisch und persönlich stehe die Liebe zunehmend im Mittelpunkt seines Lebens. Der 52jährige Autor ist in dritter Ehe mit der Verlegerin Elizabeth West verheiratet, mit der er einen kleinen Sohn hat.
Camel Beford von der Menschenrechtsgruppe Article 19, die fast ein Jahrzehnt lang für Rushdies Freiheit kämpfte, ist enttäuscht, daß der „iranisch-britische Durchbruch“ bisher nicht auch zu Verbesserungen für im Iran lebende Autoren geführt hat. „Für uns war die Vereinbarung über Rushdie eigentlich nur der erste Schritt in einem größeren Prozeß der Entspannung“, sagte sie.
Am Rande der UN-Vollversammlung in New York hatte Irans Außenminister Kamal Charrasi im September 1998 die folgende Zusicherung gegeben: „Die iranische Regierung hat weder die Absicht, noch wird sie irgendwelche Aktionen unternehmen, das Leben des Autors zu bedrohen.“ Auch werde Teheran entsprechende Taten oder Absichten nicht „fördern“. Im Gegenzug kündigte die britische Regierung die Wiederherstellung voller diplomatischer Beziehungen mit dem Iran an.
Nach Ansicht von Ian Black, Redakteur beim Guardian, lebt Rushdie in einem unsicheren Frieden. London und Teheran hätten versucht, die „Rushdie-Affäre“ hinter sich zu lassen, weil sie in ihren Beziehungen als „Hindernis“ galt. Die Vereinbarung über Rushdie habe zwar positive Veränderungen für den Autor gebracht, dürfe aber nicht zu ernst genommen werden. „Er wird nie ganz in Freiheit leben“, meint Black.
Für den Schriftsteller Christian Salmon, Generalsekretär des Internationalen Schriftstellerverbandes, dessen Initiator und erster Präsident Rushdie war, ist die Fatwa, die das Teheraner Regime am 14. 2. 1989 aussprach, nicht nur die Verurteilung der Meinungsäußerung eines Schriftstellers, der sich gegen Staatsterrorismus wehrte, sondern eine Kriegserklärung gegen das Genre Roman als solches, gegen Vielfalt, Unruhe und Perspektivenwechsel. Hera
Tagesthema Seite 3, Debatte Seite 12
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen