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Großer Streit um einen kleinen, giftigen Frosch

■ Ecuador will am Gewinn eines Medikaments beteiligt werden, das ein US-Konzern aus einem Frosch gewinnt Von Luis Angel Savedra

Von Luis Ángel Sávedra

Quito (taz) – Epipedobates Tricolor ist ein kleiner, dreifarbiger Frosch, der nur in Ausläufern der Anden im südamerikanischen Ecuador lebt. Bisher wußten nur wenige Biologen und Einwohner des Amazonasgebiets von der Existenz des scheuen Tieres. Aus seinem Speichel gewinnen die Eingeborenen ein Gift, mit dem sie Pfeilspitzen für die Jagd einschmieren. Jetzt streiten Ecuador und ein US- Pharma-Unternehmen um die gentechnische Ausbeutung des seltenen Frosches.

Ende 1998 verkündete die US- Firma Abbott die Entwicklung eines schmerzstillenden Medikaments, das bis zu zweihundertmal stärker sein soll als Morphin, das bislang wirksamste Schmerzmittel. Das neue Medikament habe „keine Nebenwirkungen“ und werde in Kürze auf den Markt kommen, so der Hersteller. Die erwarteten Umsätze des Schmerzmittels, das vor allem in der Chirurgie eingesetzt werden soll, werden auf weltweit 40 Milliarden Dollar geschätzt.

Der Wirkstoff des neuen Medikaments heißt ABT-594. Er wird aus Epibatidin gewonnen, einem giftigen Alkaloid, das der Epipedobates Tricolor produziert. Die ecuadorianische Umweltorganisation „Ökologische Aktion“ berichtet, daß 750 Exemplare dieser Froschart im Jahr 1976 ohne Erlaubnis und Kenntnis der Behörden in die USA gebracht worden seien. Nach jahrelangen Forschungen und mit Hilfe der Studien, die zwei Abbott-Biologen in Ecuador durchführten, sei es gelungen, den Wirkstoff auch synthetisch herzustellen.

Die Regierung Ecuadors fordert nun von dem Pharma-Unternehmen eine finanzielle Beteiligung an den Gewinnen mit dieser Genressource. „Wir wissen, daß der Wirkstoff ABT-597 demnächst auf den Markt gebracht wird. Jetzt wollen wir wissen, wie die Gewinnbeteiligung Ecuadors an dem Produkt aussieht“, sagt Sergio Laso vom Ecuadorianischen Institut für Wälder, Naturflächen und Urwaldgebiete (Inefan).

Juristisch steht diese Forderung freilich auf wackeligen Beinen. Aufgrund internationaler Gesetze könnte Ecuador zwar gegen Abbott klagen, doch haben die Vereinigten Staaten die betreffenden Gesetzeswerke nicht ratifiziert. Auch das 1992 in Rio de Janeiro beschlossene „Abkommen über Biologische Vielfalt“, das allen Staaten die Souveränität über genetische Vorkommen sichert und profitierende Firmen zu einer Beteiligung der Herkunftsländer verpflichtet, haben die USA noch nicht unterzeichnet. Die Konvention sieht vor, die Gewinnanteile aus der Gentechnik in soziale Einrichtungen und zur Entwicklung der Gemeinden in den Herkunftsländern zu investieren. Aufgrund fehlender Durchführungsbestimmungen müssen die betroffenen Länder bislang einzeln mit den Unternehmen verhandeln, die die genetischen Rohstoffe nutzen. Ecuador forderte Abbott in einem Schreiben auf, „die aus dem Wissen der indigenen Völker entstandenen Gewinne anzuerkennen und zu vergüten“. Bisher habe Abbott nicht geantwortet, sagt Laso. „Wir hoffen, mit den Vertretern des Unternehmens zu einem Vergleich zu kommen, der beide Seiten befriedigt.“

Nach Angaben der Zeitschrift Time sammelten Genbanken in den USA bereits 100.000 unterschiedliche Genmuster. Von den 250.000 erfaßten medizinischen Pflanzen sind aber erst ein Prozent in Labors erforscht worden. „Um Wirkstoffe für neue Medikamente zu finden“, so der ecuadorianische Anthropologe Fernando Moreno, „sind die Forscher zumeist auf die Medizinmänner und Schamanen vor Ort angewiesen, die das Wissen der Indigenas bewahren.“ Mehrfach hätten US-Institute Schamanen aus dem Amazonasgebiet Ecuadors unter Vertrag genommen, um die Forscher zu orientieren. „Ohne gesetzliche Regelung“, klagt Moreno, „profitiert die Pharmaindustrie nicht nur von unseren Ressourcen, sie nutzt auch unser Wissen, ohne daß wir etwas davon haben.“

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