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„Grün war die Hoffnung“

Hamburgs Ökopartei nun auch gegen „Blockade“ von Elbquerung und Hafenquerspange. Kieler Grüne zanken über Parteikurs  ■ Von Heike Haarhoff

Nach den schleswig-holsteinischen haben nun auch die Hamburger Grünen die Wende in der Verkehrspolitik eingeläutet: Mit der Ostseeautobahn hat man sich abgefunden, die Elbquerung westlich von Hamburg scheint unvermeidbar, und der zunehmende Güterverkehr aus Skandinavien wird als Realität anerkannt, mit der auseinanderzusetzen sich lohnt.

Als kleiner Koalitionspartner eines rot-grünen Regierungsbündnisses könne man eben „nicht alle Straßen verhindern, sondern muß sehen, daß soviel Güterverkehr wie möglich auf die Schiene verlagert wird“, sagte gestern der Verkehrsexperte der Hamburger Grünen, Martin Schmidt, zur taz.

Auch die Hafenquerspange, also die geplante Piste durch den Hamburger Süden, die die Autobahnen A 1 und A 7 miteinander verbinden soll, ist für GALier Schmidt kein Tabu mehr, sofern „die Straße ökonomisch rentabel ist“ und „die Schienenanbindung des Hafens verbessert“ werde.

Realo Schmidt stärkte damit seinem Kieler Parteifreund Karl-Martin Hentschel den Rücken. Der parlamentarische Geschäftsführer der schleswig-holsteinischen Grünen hatte auf deren Kleinen Parteitag am Samstag erneut dafür plädiert, daß „grüne Politik zur Kenntnis nehmen muß, daß die Mehrheit der Bevölkerung die großen Verkehrsprojekte will“, und „wir allein nicht die Weichen stellen können“. Die Vergangenheit habe gezeigt, pflichtete ihm Fraktionschefin Irene Fröhlich bei, daß „immer nur ,Nö' sagen“ lediglich dazu beigetragen habe, „daß wir aus der verkehrspolitischen Debatte rausgeflogen sind“.

Eine „Acht-Prozent-Partei“ – die Grünen hatten bei der Landtagswahl 1996 8,1 Prozent der Stimmen geholt – könne „keine Berge versetzen“, suchte Landesvorstandssprecherin Monika Mengert die aufgebrachten Partei-Fundis zu beschwichtigen. Was diese „Anpasserei“ solle, rief einer erregt, „was passiert denn, wenn in ein paar Jahren Feminismus gesellschaftlich out und Rassismus in ist“? „Wir“, so Landeschef Peter Swane theatralisch, „stehen vor einer Richtungsentscheidung“. Und diese zu fällen gedenken die Grünen mit einer bis März andauernden „sachlichen Strategiedebatte“.

Ihren Kleinen Parteitag nutzten sie derweil zum Schlagabtausch. Landeschef Swane rechnete mit seinem größten Parteifeind, Umweltminister Rainder Steenblock, ab. Dessen „Außenwahrnehmung“ sei „katastrophal“, die „Kommunikation mit den Bürgerinitiativen völlig gestört“. Am Wochenende hatten erneut Umweltverbände den Rücktritt von Steenblock gefordert. „Wer von der Opposition träumt, träumt auch von einer anderen Regierung“, schoß der Gescholtene zurück.

Als dann der Minister dafür abgewatscht wurde, daß er die Verträge für die umstrittene Muschelfischerei im Wattenmeer unlängst verlängert hatte, sorgte Landeschefin Monika Mengert immerhin dafür, daß dies unter Ausschluß der Öffentlichkeit geschah: „Gegenseitige Diffamierungen machen uns unattraktiv.“ Steenblock, der darauf hinwies, daß die Muschelfischerei nicht eben das drängendste Problem des Wattenmeers sei, gab schließlich klein bei: Die bereits genehmigte Muschelfischerei werde per Nationalparkgesetz rückgängig gemacht und verboten, erklärte er. Wie er das den Fischern und der mitregierenden SPD beibringen will, blieb sein Geheimnis.

Für einige, wie die Landtagsabgeordnete Adelheid Winking-Nikolay, kam Steenblocks Versöhnungsversuch mit den Ökofundis ohnehin zu spät. Über Steenblocks Regierungstätigkeit hat sie bereits Bilanz gezogen: „Grün war die Hoffnung.“

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