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Lieber reich als gut

■ „Poetik ohne Politik?“ Fragen des „Autorenkreises“ an die jüngere Literatur

Junge Leute interessieren sich bekanntlich nicht so sehr für die Politik. Bei Schriftstellern könnte das möglicherweise anders sein, haben sich die überwiegend etwas älteren Mitglieder des „Autorenkreises der Bundesrepublik“ gedacht und das Thema ihrer 17. Zusammenkunft mit einem optimistischen Fragezeichen ausgestattet: „Poetik ohne Politik? Fragen an die jüngere Literatur.“

Der Autorenkreis traf sich am vergangenen Wochenende im Haus der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin. Zum Vorlesen und Befragen hatte man sich als Vertreter der Jugend Steffen Kopetzky, Anja Tuckermann, Ingo Schramm und Lutz Seiler eingeladen. Der Germanist Klaus Michael diagnostizierte der 90er-Jahre-Literatur zunächst einmal einen „antiinstitutionellen Impuls“, der Realität enthobene Figuren und eine Vorliebe für die Kindheit als „heilen literarischen Raum“. Das wurde munter nickend bestätigt.

Der 37jährige, nicht mehr ganz jugendfrische Ingo Schramm erklärte den Staat zum Übel, sein nur ein Jahr jüngerer Kollege Lutz Seiler spaziert in seinen Gedichten vor allem durch die ostdeutschen Landschaften der Kindheit, und Steffen Kopetzky, 1971 in Oberbayern geboren, las eine Stelle aus seinem letzten Roman „Einbruch und Wahn“, in der es vor Kunstfiguren und verwirrten Philosophiestundenten nur so wimmelte.

Danach konnte man sich der eigentlichen Frage der Tagung zuwenden: wie es denn nun mit der Politik steht? Bei Anja Tuckermann liegt der Fall verhältnismäßig einfach. Die 38jährige Autorin schreibt Theaterstücke und sogenannte „engagierte“ Kinder- und Jugendbücher, in denen es zum Beispiel um Probleme von Ausländern in Deutschland geht. Jenseits des sozialkritischen Engagements wird es jedoch schwierig: Ist zum Beispiel Ingo Schramms Prosa politisch, nur weil sie von traurigen Menschen in der noch viel traurigeren Realität der ostdeutschen Nachwendezeit handelt?

Die Antwort blieb aus. Und irgendwie wollten die Anwesenden auch nicht bemerken, daß vielleicht gar nicht die jüngere Literatur das Problem ist, sondern der eigene sorglose Umgang mit dem Begriff „Politik“ im literarischen Kontext. Politisch ist für die Mitglieder des 1992 gegründeten „Autorenkreises“ nämlich anscheinend ganz einfach die Literatur, die Gutes tun will – darum sprechen sie auch in der Satzung ganz lässig von „Demokratie“, „Humanismus“ und einer „intellektuell- politischen Tradition“, der man sich verpflichtet fühle. Nur dem Publizisten Richard Herzinger fiel das auf. Er warf seinen Kollegen vor, Politik und Moral zu verwechseln, als sie sich über Steffen Kopetzky hermachten.

Der hatte nämlich (wie gewohnt mit Krawatte und belesenem Lächeln) das Teufelchen gespielt und erklärt, daß die jüngere Literatur nicht politisch, sondern ökonomisch motiviert sei. Statt Einfluß auf die Gesellschaft nehmen zu wollen, strebe man nach Geltung und Anerkennung: „Wir wollen reich werden“, faßte Kopetzky das zusammen – nicht ohne zu betonen, daß es dabei um einen symbolischen Reichtum gehe.

Der Schriftsteller Ulrich Schacht wollte darin unbedingt einen „Aufbruch in die Sphären der Freiheit“ sehen und versuchte so, doch noch das Fragezeichen im Titel der Tagung zu retten. Denn denkt man Kopetzkys Idee weiter, könnte man zu dem Schluß kommen, daß die eitle Literatur sich die Politik vielleicht immer schon als Deckmäntelchen übergestreift hat. Und mit diesem Gedanken wollten die gestandenen gesellschaftskritischen Schriftsteller des „Autorenkreises“ dann wohl doch nicht nach Hause gehen. Kolja Mensing

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