: Der kulturelle Austausch ist noch minimal
■ 40.000 bis 50.000 Kurden leben in der Stadt. Die in Vereinen und Gruppen organisierten Kurden und Türken in Berlin geben sich „offen für alle“, aber offiziell gibt es kaum eine Zusammenarbeit
„Wir unterscheiden nicht zwischen Türken und Kurden“, heißt es lapidar aus dem Büro der Berliner Ausländerbeauftragen, wo man aber „mit Sorge immer tiefere Gräben zwischen beiden Gruppen“ ausmache. Auch auf den polizeilichen Meldestellen wird nicht differenziert, die 40.000 bis 50.000 Kurden in der Stadt sind offiziell als Türken registriert.
Man lebt, arbeitet und wohnt nebeneinander, gelegentlich, wie beim Trauermarsch für die im israelischen Generalkonsulat erschossenen Kurden am Mittwoch, demonstriert man auch miteinander. „Da waren auch viele linke türkische Gruppen mit dabei, die mit den Verhältnissen in der Türkei auch nicht einverstanden sind“, so eine Sprecherin der Demokratischen Emigranten-Union.
Doch im Alltag ist der kulturelle Austausch zwischen den insgesamt sechzehn kurdischen Vereinen und ihren türkischen Pendants in Berlin auf offizieller Ebene minimal – und beschränkt sich höchstens auf den Austausch von Informationen. Doch in den Treffpunkten, Cafés und Kulturzentren findet die Kommunikation weiterhin statt: Die Hälfte der über 100 Besucher im türkischen Kulturverein im Wedding sind kurdischer Herkunft, sogar der Imam der angeschlossenen Moschee ist Kurde. „Wir haben hier nur etwas gegen die PKK, nichts gegen die Menschen“, sagt Huseyin Pehlivanli vom Kulturverein.
Türkische Vereine finden sich rund 120 in der Stadt. 35 von ihnen sind – zumeist politische – Interessenvereine, ein weiteres Drittel stellen die Sportvereine, auch islamische Vereine mit türkischem Hintergrund gewinnen an Stellenwert. Kenat Kolat ist Vorsitzender des Türkischen Bundes, der Dachorganisation der wichtigsten Vereine und mit rund 40.000 Mitgliedern eine der größten in der Republik. Auch hier gibt es keine offiziellen Kontakte zu kurdischen Gruppen, „bei uns ist der halbe Vorstand kurdisch, ebenso wie etliche unserer Mitglieder“, so Kolat. Ihn stört, daß die Begriffe „Kurde und Türke auf das Ethnische reduziert“ werden: „Als wir uns 1991 gründeten,war das überhaupt kein Thema, wer woher kommt.“
Eine wichtige Schnittstelle im alltäglichen Zusammenleben ist der Schul- und Bildungsbereich. Sowohl einen türkischen wie auch einen kurdischen Elternverein gibt es in der Stadt, beide kümmern sich mit Nachhilfe- und Hausaufgabenzirkeln um die ausländischen Schüler, wie auch, mit regelmäßigen Beratungen, um deren Eltern. Doch seien „kurdische Problematiken bei den Veranstaltungen „nie ein Thema“, so Kazim Aydin vom türkischen Elternverein: „Wir halten uns aus der Politik heraus.“
Bedauernswert, findet Erdwan Osman vom kurdischen Pendant: Als Reaktion auf die Ereignisse der vergangenen Tage – und auf zunehmende Diskriminierung kurdischer Schüler – hatte Osman ein Projekt ins Leben rufen wollen, in dessen Rahmen türkische und kurdische Vertreter in die Schulen gehen sollten, um den Schülern die Ursachen des Konfliktes darzustellen. „Die türkischen Institutionen“, so Osman, „zeigten daran jedoch wenig Interesse.“ Osman hofft nun darauf, daß zumindest ein geplanter „runder Tisch“ von Türken und Kurden bis Anfang März zustande kommt.
Allerdings betonen die Vorsitzenden beider Elternvereine nach wie vor die jeweilige Offenheit auch für die jeweils andere kulturelle Gruppe, Kurden besuchten die türkischen Beratungen, türkische Kinder machten mit ihren kurdischen Klassenkameraden zusammen Hausaufgaben.
Intensiver ist der Kontakt der Frauen miteinander. „Natürlich ist auch Öcalan bei uns ein Diskussionsthema“, sagt Aysin Inan vom türkischen Frauenverein in Kreuzberg, „bei dem die Frauen in erstaunlicher Weise aus sich herausgehen – etwa, wenn es beim Thema Militärdienst heißt: ,Soll mein Sohn auf deinen schießen?‘“. Insgesamt kämen die siebzig Mitglieder des Frauenvereins, von ihnen die Hälfte kurdischer Herkunft, gut miteinander aus.
Eheschließungen zwischen Kurden und Türken blieben nach den Worten von Frau Inan die Ausnahme: „Das kommt eigentlich sehr selten vor, die Familien verhindern das meistens schon im Vorfeld.“ Christoph Rasch
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