: Plädoyers im HIV-Prozeß
■ In Frankreich fordern Verteidigung und Anklage Freispruch der beschuldigten Politiker
Paris (AFP) – Am letzten Tag des Aids-Prozesses gegen den früheren französischen Premierminister Laurent Fabius hat die Verteidigung das Gericht gestern aufgefordert, den Ruf den 52jährigen Sozialisten wiederherzustellen. Rechtsanwalt Jean-Michel Darrois appellierte an die Richter, Fabius „nicht nur freizusprechen, sondern auch sein Handeln zu billigen und ihn damit zu rehabilitieren“.
Dem heutigen Präsidenten der Pariser Nationalversammlung wird fahrlässige Tötung und Körperverletzung zur Last gelegt. Die Anklage wirft ihm vor, 1985 nicht rechtzeitig Aids-Tests für Blutspender vorgeschrieben zu haben, wodurch mehrere hundert Menschen mit der Immunschwächekrankheit angesteckt worden seien. Mitangeklagt sind die frühere Sozialministerin Georgine Dufoix und ihr damaliger Staatssekretär für Gesundheit, Edmond Hervé.
In Frankreich infizierten sich in der fraglichen Zeit insgesamt rund 4.000 Menschen bei Bluttransfusionen mit dem HI-Virus. Etwa 600 sind seither gestorben. Fabius wird von den Opfern des Aids- Skandals beschuldigt, erst im August 1985 HIV-Tests für Blutspender vorgeschrieben zu haben, obwohl die US-Firma Abbott ein solches Verfahren Monate zuvor entwickelt hatte. Dadurch soll er das französische Pasteur-Institut begünstigt haben, das an einem eigenen Test arbeitete. Dufoix und Hervé wird zusätzlich vorgeworfen, wider besseres Wissen nichtsterilisierte Blutkonserven im Umlauf gelassen und Risikogruppen nicht rechtzeitig als Blutspender ausgeschlossen zu haben.
Auch die Staatsanwaltschaft hatte am Mittwoch Freispruch für die Angeklagten gefordert, sich aber für eine „öffentliche Rüge“ ausgesprochen. Generalstaatsanwalt Jean-François Burgelin begründete dies damit, daß die drei Angeklagten strafrechtlich nicht zu belangen seien.
Die Ausführungen der Staatsanwaltschaft waren von den Opfern des Aids-Skandals heftig kritisiert worden. Das Urteil soll am 9. März fallen.
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