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Netanjahu will kein Risiko eingehen

■ Nach dem Tod von sechs israelischen Soldaten will die Regierung in Jerusalem vor den Wahlen keine weitere Eskalation

Jerusalem (taz) – Sechs Wochen vor den letzten Parlamentswahlen 1996 in Israel machte der damalige Regierungschef und Spitzenkandidat der Arbeitspartei, Schimon Peres, den Fehler, der ihn letztendlich den Wahlsieg kostete: Er schickte in einem Großangriff gegen die schiitischen Widerstandskämpfer der Hisbollah (Partei Gottes) seine Truppen nach Südlibanon. Was als Versuch, mit Gewalt den Frieden herbeizuzwingen, begann, endete in dem Dorf Kana tragisch mit dem Tod von über hundert palästinsischen Flüchtlingen. Die arabischen Israelis „bestraften“ Peres mit der Verweigerung ihrer Stimmen, so daß er den Kampf gegen Benjamin Netanjahu verlor.

Die Aktion „Früchte des Zorns“ war darauf ausgerichtet, die libanesische Regierung unter Druck zu setzen, um so einen stufenweisen Truppenrückzug vorzubereiten. Systematische Bombardierungen weit über die Sicherheitszone hinaus sollten die libanesische Regierung dazu veranlassen, sich für die Übernahme der Kontrolle des für Israel zunehmend lästigen Südlibanons bereit zu erklären. Gleichzeitig hoffte Peres auf ein Erweichen der syrischen Position und eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen. Nach dem Unglück von Kana war es aus mit Peres' Traum. Anstelle des erhofften Friedens hatten sich die Fronten erneut verhärtet. In Israel übernahm an seiner Stelle der konservative Sicherheitspolitiker Netanjahu das Ruder.

Wenige Wochen vor den diesjährigen Parlamentswahlen in Israel ist die Lage im Südlibanon erneut angespannt. Nach dem Tod von sechs Soldaten in einer Woche ist die Regierung aufgerufen, neue Zeichen zu setzen. Netanjahu muß keine Stimmeinbußen unter den arabischen Israeli fürchten, sollte er sich für eine Militäroperation im Umfang der „Früchte des Zorns“ entscheiden; die meisten der arabischen Stimmberechtigen wählen eine der linken Parteien. Trotzdem deutet derzeit alles darauf, daß er keine unnötigen Risiken eingehen wird und deshalb die übliche Strategie der punktuellen Vergeltungsschläge einem Großangriff vorziehen wird. „Wenn die Hisbollah keine weiteren Katjuschas abgibt, wird es keine weiteren Schläge geben“, hieß es gestern von seiten israelischer Militärs.

Problematisch für einen israelischen Vergeltungsschlag ist zudem die Frage, wer hinter den Angriffen auf den Norden Israels steckt. Die Hisbollah lehnt die Verantwortung für den jüngsten Katjuscha-Beschuß ab. Möglich wäre, daß eine andere Organisation die Raketen abgeschossen hat. Im Südlibanon agieren noch etwa 20 Gruppen, die zum Teil bis heute militärisch aktiv sind.

Gleichzeitig wird auch innerhalb Israels zunehmend Protest gegen die fortgesetzte Besatzung im Südlibanon laut. Während die Gruppe der „Vier Mütter“ offenbar die Trauerwoche für die Gefallenen abwarten will, kam es bereits zu kleinen Demonstrationen einer neuen Organisation. „Die rote Linie“, eine Gruppe von Eltern, deren Söhne im Libanon Militärdienst leisten, plädierte auf ihren Plakaten vor dem Verteidigungsministerium für den „sofortigen Abzug aus Südlibanon“.

Der unilaterale Truppenrückzug ist bereits seit einigen Monaten Thema im Parlament und im Kabinett. Federführend im Kampf für den Abzug ist der Abgeordnete Jossi Beilin (Arbeitspartei). Auch Polizeiminister Avigdor Kahalani appellierte jetzt an Netanjahu: Die Situation könne so nicht fortgesetzt werden, meinte er und forderte entweder eine Militäroperation, die die libanesische Regierung unter Druck setzen würde, oder einen einseitigen Truppenabzug. Die Libanesen lehnen einen einseitigen Truppenabzug der israelischen Regierung ohne vorherigen Friedensabschluß ab. Susanne Knaul

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