: Irak steht unter Dauerbeschuß
Die ständigen Luftangriffe der USA und Großbritanniens behindern das humanitäre UNO-Programm. Die Ziele der Militäraktionen sind konfus ■ Aus Genf Andreas Zumach
Die seit Mitte Januar fast täglichen Luftangriffe der USA und Großbritanniens auf Bodenziele im Irak behindern zunehmend das UNO-Programm zur Verteilung von Nahrungsmitteln an Kurden im Norden des Landes. Wegen der ständigen Gefahr von Bombenabwürfen mußten bereits verschiedene Einschränkungen für die Arbeit der UNO-Helfer erlassen werden, erklärte der für das Programm in Bagdad zuständige Koordinator, der deutsche Diplomat Hans von Sponeck, am Montag abend vor UNO-Korrespondenten.
Nach Angaben von Sponecks werden während der von den US- amerikanischen und britischen Piloten bevorzugten Angriffszeit zwischen elf Uhr morgens und drei Uhr nachmittags inzwischen keine UNO-Lastwagen mehr auf die Strecke zwischen den nordirakischen Städten Mossul und Dohuk geschickt. Nachteinsätze von UNO-MitarbeiterInnen wurden erheblich eingeschränkt. Ein Mitarbeiter hat bereits gekündigt.
Von Mitte Januar bis gestern bombardierten US-amerikanische Kampfflugzeuge, in einigen Fällen unterstützt von britischen Jets, 76mal irakische Bodenziele – innerhalb wie außerhalb der beiden „Flugverbotszonen“ im Norden und Süden des Landes. Die Zonen wurden 1992 in Ermangelung eines UNO-Mandats einseitig von den USA, Großbritannien und Frankreich verordnet. Bagdad erkennt sie nicht an. Nach den Bestimmungen der UNO-Charta sind die Angriffe der US-Amerikaner und Briten völkerrechtswidrig.
Bis Montag hatte das Pentagon stets behauptet, die bisherigen Bombenangriffe seien „jeweils in Reaktion auf irakische Drohungen oder Luftabwehrfeuer“ erfolgt und hätten sich in „jedem Fall ausschließlich gegen diejenige militärische Stellung gerichtet“, von der jeweils eine „Bedrohung“ für die Kampfflugzeuge ausging. Daß bei zahlreichen Angriffen auch Anlagen in der jeweiligen Umgebung bombardiert wurden, wurde erst gestern von US-Verteidigungsminister William Cohen eingeräumt. Die Piloten hätten „Flexibilität“ bei der Auswahl ihrer Ziele.
Nachweislich zerstörten die Kampfbomber mehrfach auch zivile Einrichtungen und Infrastruktur. Zuletzt beschädigten sie am Sonntag und erneut am Montag eine Ölpumpstation im Nordirak und unterbrachen damit die Pipeline-Verbindung in die Türkei. Zwei Pumpenarbeiter wurde getötet, eine unbekannte Zahl schwer verwundet. Insgesamt kamen nach irakischen wie US-amerikanischen Medienberichten bei den Luftangriffen der letzten sechs Wochen und dem viertägigen Dauerbombardement der Operation „Wüstenfuchs“ Mitte Dezember rund 3.000 Zivilisten ums Leben.
Über den Zweck der fortgesetzten Angriffe rätseln nicht nur Beobachter. Auch aus den verschiedenen mit dem Irak befaßten Abteilungen der Clinton-Administration in Washington kommen auf entsprechende Fragen widersprüchliche Antworten. Es gehe um den Schutz der von Bagdad verfolgten Kurden und Schiiten, läßt das Weiße Haus erklären. Aus dem Pentagon ist hingegen zu hören, mit den ständigen Angriffen solle die Moral der irakischen Streitkräfte untergraben und ihre Bereitschaft zur Revolte gegen Saddam Hussein erhöht werden. Im State Department schließlich heißt es, mit den militärischen Attacken wolle man das Regime in Bagdad zwingen, die nach der „Operation Wüstenfuchs“ ausgewiesenen Rüstungsinspektoren der UNO-Sonderkommission Unscom wieder zurück ins Land zu lassen. Nach den bisherigen Rekationen Bagdads zu urteilen, rückt dieses politische Ziel jedoch mit jedem neuen Bombenangriff in immer weitere Ferne.
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