: Die Folter wartet: Kurde in die Türkei abgeschoben
■ Während das Verfassungsgericht einem Kurden wegen Foltergefahr Asyl zuspricht, wird ein anderer abgeschoben, der an gewalttätigen Protesten beteiligt war
Berlin/Karlsruhe (taz) – Zum ersten Mal seit den gewalttätigen Demonstrationen wegen der Festnahme von PKK-Chef Öcalan ist ein Kurde in die Türkei abgeschoben worden. Wie das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen gestern der taz bestätigte, mußte der 28jährige Mehmet Kilic bereits am Dienstag die Bundesrepublik verlassen. „Wir hoffen, daß nichts passiert“, kommentierte ein Ministeriumssprecher Befürchtungen von Flüchtlingsorganisationen, Kilic könne in der Türkei von Folterungen bedroht sein.
Das Verwaltungsgericht Münster hatte zuvor zwei Eilanträge des jungen Mannes auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen. Im zweiten Beschluß wird eine politische Verfolgung des jungen Mannes in der Türkei ausgeschlossen, denn es sei „nicht einmal anzunehmen, daß (dort) die Beteiligung des Antragstellers an der Besetzung des SPD-Büros in Köln bekanntgeworden ist“. Die Rechtshilfeorganisation Azadi, die Kurden in Deutschland berät, warf demgegenüber der Kölner Staatsanwaltschaft vor, die türkischen Tageszeitungen Hürriyet und Sabah über Kilic' bevorstehende Abschiebung informiert zu haben. Dort seien Artikel erschienen, die Kilic bei seiner Rückkehr zusätzlich gefährdeten, sagte Azadi-Sprecherin Annett Bender der taz. Kilic war bei der Besetzung festgenommen worden und als abgelehnter Asylbewerber in Abschiebehaft gekommen. Angesprochen auf Schutzvorkehrungen deutscher Behörden für den 28jährigen nach seiner Abschiebung, sagte der Ministeriumssprecher: „Wir werden sicherlich erfahren, wie es ihm in der Türkei ergeht.“
Nach Überzeugung von Pro-Asyl-Sprecher Heiko Kaufmann hat die Bundesregierung auch gegenüber Flüchtlingen, die kein Asyl bekommen, eine Fürsorgepflicht. „Die von Schily angestrebten Sicherheitsgarantien der Türkei dienen nur dazu, der deutschen Regierung ein reines Gewissen zu verschaffen.“
Die Chancen politisch aktiver Kurden auf Asyl in Deutschland sind gestern gestärkt worden. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschied, Maßnahmen eines Staates, die „unter dem Deckmantel angeblicher Terrorismusbekämpfung“ geschähen, könnten zu einem Asylrecht des Verfolgten in Deutschland führen. Eine Kammer des Zweiten Senats bewertete deshalb die Verfassungsbeschwerde eines ostanatolischen PKK-Sympathisanten als „offensichtlich begründet“. Würde ein Mensch wegen der „Umsetzung politischer Überzeugung“ verfolgt, dann seien besondere Gründe nötig, um nicht von einer politischen Verfolgung auszugehen.
Der Mann war zwischen 9- und 15mal in der Türkei verhaftet worden. Bei der letzten, einmonatigen Haft hatte er nach Folter, Schlägen und Stiefeltritten zugegeben, die PKK finanziell unterstützt zu haben. Ein Verwaltungsgericht sah in der vorherigen Verfolgung „ordnungsrechtliche Maßnahmen eines Staates“, die als solche gerechtfertigt seien. pat/geu
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