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Ein Trottel in Vertretung für militante Exil-Kubaner

■ In Havanna beginnt der Prozeß gegen einen Salvadorianer, der im Auftrag des Castro-Gegners Posada Carriles Bomben legte. Die kubanische Staatsanwaltschaft fordert die Todesstrafe

San Salvador (taz) – Das Verfahren gegen den Salvadorianer Raul Ernesto Cruz León, das heute vor einem Provinzgericht in Havanna beginnt, verspricht in doppelter Hinsicht ein Stellvertreterprozeß zu werden. Dem 28jährigen wird vorgeworfen, er habe im Frühjahr und Sommer 1997 sechs Bombenattentate auf Hotels und eine Kneipe in der kubanischen Hauptstadt verübt. Dabei waren ein italienischer Geschäftsmann getötet und mehrere Personen verletzt worden. Cruz León, der die Anschläge gestanden hat, handelte nach eigener Aussage im Auftrag des militanten Exil-Kubaners Luis Posada Carriles. Als kleiner Söldner steht er nun stellvertretend vor Gericht.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Todesstrafe beantragt. Sie beweist damit, daß der Staat im Februar mit dem „Gesetz zum Schutz der Unabhängigkeit und der Wirtschaft Kubas“ nicht nur ein drastisches Gesetz verabschiedet hat. Es soll auch angewendet werden. Niemand bietet sich da besser an als Cruz León: Attentate im Auftrag von Exil-Kubanern sind ein Anschlag auf die Unabhängigkeit; die Anschläge des Salvadorianers trafen mit der Tourismusindustrie den wichtigsten Devisenmagneten der Insel. Doch der 28jährige ist alles andere als ein hochkarätiger Dunkelmann im Dienste der anticastristischen Reaktion. Er ist ein kleiner krimineller Trottel: Für ein paar Dollars ließ er sich für etwas anheuern, das er selbst nicht richtig verstand.

Bevor er zum Bombenleger von Havanna wurde, schlug er sich in El Salvador mal als Leibwächter von Schlager- und Busen-Sternchen, mal als kleiner Betrüger durch. Immer hatte er Schulden. Als er die Raten für sein gebrauchtes Auto nicht mehr bezahlen konnte, kam ihm das Angebot, nach Havanna zu fliegen, gerade recht.

Er war auf einem privaten Schießplatz bei San Salvador, wo er gerne mit Freunden seine Freizeit verbrachte, mit Luis Posada Carriles in Kontakt gekommen. Dieser etwa siebzigjährige Veteran des militanten Anticastrismus hat eine bewegte Geschichte hinter sich: Er war schon 1961 bei der Schweinebucht-Invasion dabei, soll im Oktober 1976 ein kubanisches Verkehrsflugzeug in der Luft gesprengt haben und verschob später auf dem salvadorianischen Flughafen Ilopango Waffen an die antisandinistische Contra in Nicaragua.

Cruz León wurde Anfang September nach einem Anschlag auf Hemingways einstige Stammkneipe „La Bodeguita del Medio“ geschnappt. Bereitwillig packte er aus: Er habe mit Plastiksprengstoff gearbeitet, den er in einem gebrauchten Fernseher ins Land geschmuggelt habe. Pro Bombe habe er zwischen 1.000 und 4.500 Dollar bekommen. Und er sei nicht der einzige gewesen: Vor ihm sei schon ein Freund in gleicher Mission nach Kuba geschickt worden. Der ist seither untergetaucht.

Auch nach der Festnahme Cruz Leóns hörte Posada Carriles nicht auf, Attentäter nach Kuba zu schicken. Am 10. Juni vergangenen Jahres nahm die Grenzpolizei auf dem Flughafen von Havanna den Salvadorianer Otto René Rodriguez fest, als dieser versuchte, 1,5 Kilo Plastiksprengstoff einzuschmuggeln. Der 40jährige hat inzwischen das Attentat auf das Hotel „Melia Cohiba“ in Havanna im August 1997 gestanden. Sein Prozeß soll in der kommenden Woche beginnen. Die Staatsanwaltschaft hat 30 Jahre Haft beantragt. Drei Guatemalteken sitzen in Untersuchungshaft, weil sie mit finanzieller Unterstützung von Exilkubanern Anschläge auf der Insel geplant haben sollen.

Posada Carriles jedoch ist frei. Man nimmt an, daß er sich in Guatemala oder El Salvador aufhält. In einem Interview mit der New York Times hat er im vergangenen Jahr angekündigt, er wolle sich erst dann aufs Altenteil zurückziehen, wenn Castro gestürzt ist. Finanziert werde er unter anderem von der in Miami ansässigen „Cuban America National Foundation“. Die wiederum bekommt Geld von der US-Regierung. Toni Keppeler

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