: Grüne sind unzufrieden mit neuestem Schily-Entwurf
■ Fachpolitiker Özdemir, Beck und Ströbele fordern in einer taz-Umfrage weitere Änderungen beim Staatsbürgerschaftsrecht. Grüner Parteitag warnt Bonn vor „eiligen Kompromißvorstößen“
Berlin (taz) – Der jüngste Vorschlag von Innenminister Otto Schily (SPD) zur erleichterten Einbürgerung hat in den zwei Tagen nach seinem Bekanntwerden die Kritik grüner Fachpolitiker auf sich gezogen. Dies ergab eine Umfrage der taz.
„Der Entwurf, der jetzt vorliegt, ist natürlich nicht so gut wie der Schily-Entwurf vom Januar“, sagte der rechtspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Volker Beck. Änderungen seien notwendig, betonte der innenpolitische Sprecher Cem Özdemir, „sonst wüßte ich nicht, was der Entwurf noch soll“. Das Papier sei „noch nicht das Ergebnis, das wir abstimmen. Da werden die Fraktionen noch mitzureden haben.“ Kategorisch fiel das Urteil des Abgeordneten Christian Ströbele aus: Der Vorschlag sei „schlecht. Ganz schlecht.“
In dem am Freitag bekanntgewordenen Arbeitsentwurf ist vorgesehen, die generelle Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft durch ein Optionsmodell sowie Ausnahmeregelungen zu ersetzen. Danach sollen in Deutschland geborene Kinder sich bis zum 23. Lebensjahr für einen Paß entscheiden, den Doppelpaß erhalten dauerhaft nur Ausländer, die länger als 30 Jahre hier leben. Die Bundesregierung sieht keine Chance, im Bundesrat die Zustimmung des SPD/FDP-regierten Rheinland- Pfalz zur generellen Hinnahme des Doppelpasses zu gewinnen.
Der Rechtspolitiker Beck warnte die SPD jedoch davor, sich bei den bevorstehenden Verhandlungen zu stark an die FDP anzulehnen. „Mit den Grünen wird es keinen Entwurf geben, der eins zu eins irgendwelche FDP-Modelle übernimmt“, kündigte Beck an. Auch der grüne Parteitag in Erfurt warnte in einem Beschluß davor, die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts „mit eiligen Kompromißvorstößen“ zu gefährden. SPD und Grüne in Bonn sollten „auf aufweichende und dem Kern der Reform abträgliche Kompromisse“ verzichten.
Auf Resonanz stößt bei den Grünen das Plädoyer des SPD- Rechtsexperten Klaus Hahnzog, das Gesetz unter Umgehung des Bundesrates zu verabschieden. Dies sei „diskussionswürdig“, befand Beck, „wenn auf dem Verhandlungswege nichts Vernünftiges herauskommt“.
Ströbele kritisierte den jüngsten Schily-Entwurf als Rückschritt selbst hinter bestehendes Recht. Er wandte sich gegen die Forderung, Einbürgerungswillige müßten in der Lage sein, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten: „Die Sozialklausel bewirkt, daß ganz hohe Prozentsätze von denen, die sogar jetzt eingebürgert werden könnten, dann nicht mehr eingebürgert werden können.“ Auch Özdemir sieht darin ein Problem: „Jemand, der Sozialrente kriegt, darf daran nicht scheitern. Das ist mir ganz wichtig.“
Der innenpolitische Sprecher legt besonderen Wert auf eine befriedigende Regelung für die erste Generation von Einwanderern: „Wenn man die erste Generation hinten runterfallen läßt, dann wäre das für mich inhuman.“ Dennoch hält Özdemir „wegen des Einstiegs in das Geburtsrecht“ den Entwurf insgesamt für einen Fortschritt gegenüber den derzeitigen Regelungen: „Dieser Entwurf ist mir immer noch lieber als das geltende Recht.“ Patrik Schwarz, Bettina Gaus
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