: Mit Bomben gegen die Vergangenheit
■ Der Anschlag auf die Wehrmachtsausstellung in Saarbrücken stößt auf einhellige Empörung. Ermittler halten Täter für „Profis“. 500.000 Mark Sachschaden
Bonn/Saarbrücken (AFP/taz) – Gewaltsam waren die Proteste gegen die Wehrmachtsausstellung an fast allen ihrer bisher dreißig Stationen – auf der 31. Etappe in Saarbrücken ist gestern erstmals eine Bombe explodiert. Nach Angaben des saarländischen Landeskriminalamts (LKA) detonierte morgens gegen 4.40 Uhr ein Sprengkörper an der Außenmauer der Volkshochschule im Stadtzentrum, wo die Ausstellung zu sehen ist. Menschen wurden nicht verletzt, der Sachschaden wurde auf rund 500.000 Mark beziffert. Teile der Ausstellung wurden durch Glassplitter beschädigt. Auch in einer benachbarten Kirche barsten Fenster.
Hinweise auf die Täter gab es laut LKA zunächst nicht. VHS-Sprecher Stefan Kiefer vermutete „Täter aus der rechten Szene“. Die Ausstellung mußte nach dem Anschlag geschlossen werden. Der VHS zufolge soll sie voraussichtlich am Wochenende wieder geöffnet werden.
Wie auf früheren Etappen der Wanderausstellung hatte es auch in Saarbrücken vor der Eröffnung eine Demonstration gegeben. 300 Rechtsextreme marschierten am 20. Februar durch die Stadt. Aufgerufen hatte unter anderem die „Karlsruher Kameradschaft“. Sie gehört zum Netz neonazistischer Gruppen, die seit Beginn der Ausstellung dagegen hetzen. Ihre Hintermänner vermutet der Rechtextremismusexperte Anton Maegerle in Norddeutschland. „Vor allem die bekannten Neonazis Christian Worch und Thomas Wulff halten die Fäden der Kameradschaften in der Hand“, sagte er zur taz. Zwar könne man beiden nicht nachweisen, jemals mit Sprengstoff hantiert zu haben. „Aber in ihren Schriften sagen sie, der Repressionsapparat der Bundesrepublik agiere so hart, daß sich niemand wundern müsse, wenn mal jemand einen Anschlag verübe“, meinte Maegerle.
Die Demonstration der Rechtsextremen hielt die Honorationen der örtlichen CDU nicht davon ab, ihrerseits gegen die Ausstellung in der Volkshochschule zu mobilisieren. Die Saarbrücker Zeitung wurde mit Leserbriefen geradezu überschüttet. Noch am vergangenen Wochenende hatte der CDU-Fraktionsvorsitzende im Saarbrücker Stadtrat, Gerd Bauer, in einer Zeitungsanzeige mitgeteilt: „Wir lassen unsere Väter von diesen Ausstellungsmachern und ihren Hilfstruppen nicht unwidersprochen als Verbrecher und Mörder diffamieren – und mit ihnen die vielen Millionen Toten, die sich nicht mehr wehren können!“ Im taz-Interview erklärte Bauer gestern, er stehe nach wie vor zu seiner Anzeige: „Ich gehe davon aus, daß die Anzeige nicht der Auslöser war.“ Der Chef des Hamburger Instituts für Sozialforschung, Jan Philipp Reemtsma, sagte, Extremisten fühlten sich dort zu Ausschreitungen gegen die Ausstellung ermuntert, „wo immer Parteienvertreter klare Abgrenzungen nach rechts vermissen ließen“.
Nach dem Anschlag hat in Bonn eine Debatte darüber begonnen, ob Soldaten der Bundeswehr verstärkt zum Besuch der Ausstellung angehalten werden sollten. Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) hatte noch in der vergangenen Woche die Haltung seines Amtsvorgängers Volker Rühe bekräftigt, wonach es den Kommandeuren der Bundeswehr freigestellt ist, die Dokumentation über die Verbrechen der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg zu besichtigen. „Ich finde, Herr Scharping sollte dabei nicht stehenbleiben“, erklärte die verteidigungspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Angelika Beer, gestern gegenüber der taz. Der offenbar rechtextreme Hintergrund des Attentats zeige, daß sich „breite Teile der Gesellschaft mit der Vergangenheit der Wehrmacht auseinandersetzen sollten“, so Beer. Scharping forderte sie auf, ein „Signal zu setzen“. So könne er die „Bundeswehr ermuntern, ihre Soldaten und Angehörigen in die Ausstellung zu schicken“. Eine Verpflichtung zum Besuch lehnte Beer allerdings ab.
Der innenpolitische Sprecher der CSU- Landesgruppe in Bonn, Wolfgang Zeitlmann, erklärte gestern, welche Kritik auch immer gegenüber der Ausstellung anzubringen sei, so gebe es „überhaupt keine moralische Rechtfertigung, dagegen einen Sprengsatz anzubringen“. Zeitlmann, der die Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung selbst noch nicht gesehen hat, wandte sich zugleich dagegen, die Angehörigen der Bundeswehr zu einem Besuch zu verpflichten. Jeder könne aber freiwillig hingehen. sev/ra Siehe Seite 2
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