: Jusos: Schröder verhindern
■ Die Bremer SPD berät hinter verschlossenen Türen ihren Bremer Koalitionsstreit mit Bürgermeister Scherf und den allgemeinen Richtungskampf Schröder - Lafontaine
Hinter verschlossenen Türen traf sich gestern der Landesvorstand der Bremer SPD, um über die Lage nach dem Rücktritt des Bundesvorsitzenden Oskar Lafontaine zu beraten. Eigentlich war nach der „Ich-brauche-die-Schwarzen“-Koalitionsaussage von Bürgermeister Henning Scherf genug „Stoff“ für die Sitzung da. Am kommenden Montag sind alle Ortsvereinsvorsitzenden und Delegierten der SPD, also die Aktiven des Wahlkampfes, zur „Funktionärskonferenz“ geladen, um über die gemeinsame Strategie im kommenden Wahlkampf zu beraten.
Beide Themen hängen natürlich eng zusammen. Bremens Sozialdemokraten und insbesondere der Landesvorsitzende Detlev Albers waren in der Vergangenheit immer große Anhänger von Oskar Lafontaine gewesen. Im April 1997 hatte Albers sich in der „Bild am Sonntag“ zur Unzeit als Lanfontaine-Anhänger geoutet und mußte dies später als „persönliche Meinung“ zurücknehmen.
Ausgesprochen förmlich war Detlev Albers gestern, als er vor dem Parteilokal auf die Bonner Lage angesprochen wurde. „Bis heute habe ich über die Gründe für Oskar Lafontaines Entscheidung nichts Plausibles gehört“, räumte er ein. Auch in Bremen wird bestritten, daß der Rücktritt von Lafontaine etwas mit einem Richtungskampf zu tun habe. Auf die Frage, ob nun der Scherfsche Kurs der Nähe zur CDU gegenüber seinen politischen Zielen gestärkt wäre, meinte Albers: „Der Scherf-Kurs und der Albers-Kurs, das ist ein- und dieselbe Sache.“
Daß Albers ganz anders denkt als Scherf, wurde aber sofort dann deutlich, als er über die Wahlchancen in Bremen am 6. Juni redete. Albers: „Wir müssen nun zeigen, daß wir den Negativ-Trend, den es zur Hessen-Wahl gab, umkehren.“ Für die SPD allein hatte es in Hessen einen leichten Positiv-Trend gegeben, nur wenn man an das rot-grüne Stimmenergebnis zusammen denkt, kann man von „Negativ-Trend“ reden.
In der Diskussion über Scherfs Koalitions-Wünsche richten sich alle Erwartungen auf den kommenden Montag. Vor einer Funktionärskonferenz muß Scherf erklären, warum er vor dem Parteitag den Eindruck erweckt, daß er sich, wie von der Partei beschlossen, jeder Koalitionsaussage enthalte, in der Öffentlichkeit und auch auf kleineren Parteiversammlungen an der Basis aber penetrant anders redet. Wie findet der Landesvorsitzende das? „Allesamt wollen wir das toll finden, was er uns dann am Montag dazu erklärt.“
Ganz eindeutig haben sich nach Lafontaines Rücktritt nur die Jusos zum Bundesvorsitzenden bekannt. „Lafontaine ist das Bauernopfer des Dilettantismus von Schröder und (Kanzleramtsminister) Hombach“, formulierte der Juso-Vorsitzende Lars Jeschke, der auf Platz 46 der SPD-Bürgerschaftsliste steht und dessen Platz nur sicher ist, wenn die SPD sehr erfolgreich ist. Die Jusos sind derzeit wieder in der Rolle derjenigen, die offen aussprechen können, was viele Bremer SPD-Mitglieder befürchten: „Gerhard Schröder als Parteivorsitzender wäre das Ende der Programmpartei SPD. Schröder repräsentiert nicht die Breite der Partei, deshalb lehnen wir ihn als Vorsitzenden ab.“ Daher sollten die Genossen in Präsidium (Scherf) und Parteirat (Detlev Albers, Hilde Adolf, Wolfgang Grotheer) dafür eintreten, „daß Schröder nicht Parteivorsitzender wird“.
Auch der grüne Fraktionssprecher Helmut Zachau sieht einen „Kurswechsel“, die SPD bewege sich bundesweit nach rechts hin zur Wirtschaft. In Bremen müsse Scherf sich daher gestärkt fühlen. Jetzt sei der Landesvorsitzende Albers „gefordert“, die Grünen hätten bisher für ihr Ziel einer rot-grünen Koalition keinen Ansprechpartner.
Die FDP sieht die Bremer SPD völlig zerrissen und daher als Regierungspartei „unkalkulierbar“. Landesvorsitzender Peter Braun geht davon aus, „daß es Bürgermeister Scherf immer schwerer fallen wird, die massiven innerparteilichen Konflikte mit seiner landesväterlichen Umarmungstaktik gegenüber der Öffentlichkeit zu verschleiern“. K.W.
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