: Kriegserklärung an Touristen
Der militärische Arm der PKK droht Türkeireisenden mit Anschlägen. Bisher wollte die Organisation Unbeteiligte bei ihren Attentaten verschonen ■ Aus Istanbul Jürgen Gottschlich
In einer schriftlichen Erklärung, die die der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) nahestehende Agentur DEM gestern verbreitete, erklärt der militärische Arm der PKK, ARGK, die gesamte Türkei zum Kampfgebiet und warnt Touristen vor einem Besuch des Landes. Wörtlich heißt es: „Unser Kampf hat eine neue Phase erreicht. Die gesamte Türkei ist jetzt Kriegsgebiet. Dazu zählen auch Touristengebiete. Es ist wichtig, daß kein Tourist in der Türkei eintrifft, daß die Staaten ihre Bürger warnen und daß Reiseveranstalter ihre Reservierungen stornieren.“ Das PKK-nahe Kurdistan Informations-Zentrum (KIZ) in Köln bestätigte die Existenz der Erklärung und geht davon aus, daß sie authentisch ist. Das Schreiben trägt keine Unterchrift, sondern ist nur mit „Hauptquartier der Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK)“ gezeichnet.
Falls diese Erklärung tatsächlich für die PKK insgesamt gilt, muß innerhalb der Organisation ein Schwenk stattgefunden haben. Bisher haben alle bekannten Vertreter der PKK bestritten, daß sie Urlaubszentren oder überhaupt zivile Ziele angreifen würden. Entsprechend hatte am Sonntag noch die Europasprecherin der PKK in Brüssel, Mizgin Șen, dementiert, daß die Partei für das Attentat auf das Kaufhaus im Istanbuler Stadtteil Göztepe verantwortlich sei, bei dem am Samtag 13 Menschen getötet und sechs schwer verletzt wurden. Zuvor hatte der derzeitige Militärchef der ARGK, Cemil Bayik, erklärt, die PKK würde zwar im Südosten der Türkei weiterkämpfen, aber keine Touristenzentren angreifen. Selbst Osman Öcalan, der jüngere Bruder des in Istanbul gefangenen PKK-Chefs Abdullah Öcalan, bislang am ehesten für seine blutrünstige Rhetorik bekannt, hatte erst kürzlich dementiert, daß die PKK Touristen gefährden könnte.
Die jetzt veröffentlichte Erklärung bestätigt allerdings genau das, was zur Zeit in der Türkei passiert. Seit einer Woche geht fast jeden Tag eine Bombe hoch oder werden Sprengsätze gerade noch rechtzeitig entschärft. Am Sonntag, einen Tag nach dem Terroranschlag auf das Kaufhaus, konnte die Polizei eine in einem Paket versteckte Rohrbombe in einem Fast-food- Restaurant entschärfen. Gestern früh explodierte eine Bombe in Ankara in unmittelbarer Nähe der EU-Vertretung, richtete allerdings nur Sachschaden an. Die Urheberschaft für diese Terrorkampagne ist unklar. In Anrufen bei Zeitungen haben sowohl die türkische linksradikale Untergrundorganisation Tikko als auch obskure „kurdische Racheorganisationen“ die Verantwortung für Anschläge übernommen. Bereits jetzt zeichnet sich ein erheblicher ökonomischer Schaden ab. In Istanbul sind die großen Einkaufzentren verwaist. Reiseagenturen vermelden Stornierungen und große Zurückhaltung bei Türkeireisen. Der Tourismus ist für die Türkei eine der größten Devisenquellen. Die Branche erwirtschaftete im letzten Jahr 13,5 Milliarden Mark. Die größte ausländische Besuchergruppe kam aus Deutschland.
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