: Kein Geld für Nadelstiche
Erfolgreiche Drogenambulanz muß schließen, weil die Gesundheitssenatorin das Projekt nur gut findet, solange es nichts kostet ■ Von Elke Spanner
„Innovativ“ läßt Gesundheitssenatorin Karin Roth (SPD) sich gerne nennen. Bekräftigend nickt sie mit dem Kopf, als sie daran erinnert wird, daß sie sich stets für die Akupunkturbehandlung Suchtkranker stark gemacht habe. Doch etwas gutzuheißen, ist das eine, es auch zu finanzieren, das andere: Die Hamburger Akupunkturambulanz von „Palette“, bundesweit das einzige Projekt dieser Art, muß zum Monatsende schließen. Die Gesundheitsbehörde lehnt eine Fehlbedarfsfinanzierung ab.
Dabei ist sich Roth in der Sache mit „Palette e.V.“ durchaus einig: Gerade den KonsumentInnen von Kokain, Crack oder Alkohol könne die regelmäßige Akupunktur helfen, sich von der Droge zu lösen. Der „Drogenhunger“ werde durch das Nadeln gestillt, schreibt sie im Suchtbericht des Senates, den sie gestern präsentierte. Roth erinnerte daran, daß sie Akupunktur als eine „sehr innovative Methode in der Suchtbehandlung“ der besonderen Aufmerksamkeit des zuständigen Ausschusses der Europäischen Kommission empfohlen habe. Auch auf Bundesebene wolle sie sich für die Anerkennung dieser Therapieform starkmachen.
KonsumentInnen in Hamburg hilft das vorerst jedoch nicht weiter. Zwar bieten einzelne Drogenhilfeträger und niedergelassene ÄrztInnen Akupunktur ebenfalls an. Mit 7000 Behandlungen in eineinhalb Jahren führte „Palette“ jedoch die meisten Behandlungen durch. Die Einrichtung an sich wird von der BAGS nicht finanziert, da „der zuständige Bundesausschuß die Akupunktur noch nicht als Behandlungsmethode anerkannt hat“, erklärt Roth. Deshalb könne die Behandlung der PatientInnen lediglich im Einzelfall übernommen werden. Im Herbst habe sie mit den Krankenkassen eine Vereinbarung getroffen und die Sozialämter angewiesen, die Akupunktur zu finanzieren, sollte eine ärztliche Verschreibung vorliegen.
„Die Sozialämter und Krankenkassen zahlen nur in wenigen Ausnahmefällen“, hält Josh von Soer, Koordinator des Akupunkturprojektes, dagegen. Nur etwa zwölf Fälle habe das Sozialamt im vorigen Jahr übernommen. Deshalb habe sich ein Fehlbedarf von über 100.000 Mark angesammelt. Den auszugleichen, lehnte die BAGS ab. „Damit vertut die Behörde die Chance, dem verstärkt auftretenden Problem Kokain und Crack frühzeitig entgegenzutreten“, so von Soer.
Nach dem Suchtbericht gibt es in Hamburg derzeit zwischen 7000 und 8000 Abhängige sogenannter „harter Drogen“ wie Heroin oder Kokain. Mit dem Hilfesystem sei Hamburg bundesweit führend, selbstlobte Roth gestern. Sie gehe davon aus, daß in einem Modellprojekt ab kommendem Jahr rund 300 Menschen versuchsweise Heroin vom Arzt bekommen können. Lobend erwähnte sie, daß sich die Zahl der Fixerstuben seit dem Antritt der rot-grünen Landesregierung erhöht habe – unter Vorlage einer verblüffenden Rechnung: Im Schanzenviertel habe sie im Grunde einen zweiten Gesundheitsraum eröffnet, erklärte sie, „indem ich die Öffnungszeiten des Fixstern nahezu verdoppelt habe“.
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