: Feixende Zeugen
■ U-Bahn-Kontrolleur, der Fahrgast verletzt hat, wird freigesprochen
Feixend stehen die Kumpels vor dem Gerichtssaal. Gut ist es gelaufen, sehr gut. Soeben hat die Staatsanwältin für ihren Kollegen Thomas W. Freispruch gefordert. Minuten später spricht Amtsrichter Siegfried Hübner den Hochbahnangestellten W. vom Vorwurf frei, bei einer Fahrkartenkontrolle im U-Bahnhof Emilienstraße vorigen Oktober den Schwarzafrikaner A. mehrfach geschlagen und dadurch verletzt zu haben.
Nicht, daß sich im Prozeß erwiesen hätte, daß Thomas W. nicht zugeschlagen hat. Im Gegenteil: A. trug mit dem Riß einer Ohrmuschel eine schwerwiegende Verletzung davon, und Thomas W. macht selbst keinen Hehl daraus, daß er sie dem zuvor ertappten Schwarzfahrer zugefügt hat. Er habe jedoch in Notwehr gehandelt, behauptet der ausgebildete Sicherheitsmann vor Gericht. Nachdem mehrere Kollegen A. gewaltsam aus dem Bahnhof gezerrt hätten, sei der mit erhobenen Fäusten auf Thomas W. zugegangen. Lediglich zum Schutz habe er seine Arme hochgerissen – und A. dadurch verletzt.
Es ist offenkundig, daß auch der Richter an dieser Version seine Zweifel hat. Doch verurteilen kann er W. nur, wenn sich vor Gericht ein konkreter Tathergang erweist. Und hier weichen die Details der Aussagen erheblich voneinander ab. Als „Dilemma“ beschreibt Hübner, daß „die Klärung komplexer Sachverhalte, die zeitlich schnell ablaufen, vor Gericht oft nicht möglich ist“.
An Augenzeugen mangelt es freilich nicht. Thomas W. war damals im Kreise von sechs Kollegen unterwegs. Gemeinsam schleppten sie A. aus dem Bahnhof, gemeinsam verboten sie ihm, am gleichen Tag wieder in eine U-Bahn zu steigen. Doch Teamgeist zeigen die Kumpels auch vor Gericht. Mehrfach erinnert Hübner die Hochbahnangestellten an ihre Wahr-heitspflicht, als ihre Aussagen wie abgesprochen daherkommen. Der damalige „Hundeführer“ etwa will just in dem Moment, als die Auseinandersetzung eskalierte, mit seinem Hund beschäftigt gewesen sein, so daß er nichts mitbekam. Ihre Aussagen hätten sie aus „einem gewissen kollegialen Geist heraus“ getan, konstatiert Amtsrichter Hübner denn auch und erinnert daran, daß Ähnliches oft in Verfahren gegen angeklagte Polizeibeamte zu beobachten sei.
Elke Spanner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen