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Subventionen und Kuhhandel

Ein Ausblick auf den EU-Gipfel: Die 15 Regierungschefs wollen sich über den EU-Haushalt bis 2006, die Osterweiterung und eine neue EU-Kommission einigen  ■ Von Matthias Urbach

Berlin (taz) – Ein EU-Gipfel funktioniert nach dem Prinzip des Kuhhandels: Wer etwas haben will, muß dafür etwas anderes geben. Wer am geschicktesten tauscht, ist am Ende der Sieger. In diesem Sinne steigert der Rücktritt der EU-Kommission sogar die Erfolgsaussichten des Gipfels. Denn er erhöht die Tauschmöglichkeiten – ganz nach dem Motto: Ich gebe dir den Kommissionspräsidenten, und du zahlst dafür eine Milliarde Euro mehr. Hier eine kleine Übersicht:

Der Gegenstand: Der EU- Haushalt für 2000 bis 2006, die sogenannte Agenda 2000. Sie soll die Finanzen der EU reformieren, um die geplante Osterweiterung bezahlen zu können. Weil die Anwärter wie Polen, Ungarn und Tschechien deutlich ärmer sind als der EU-Schnitt, würden sich die Agrar- und Strukturhilfen nach den bisherigen Regelwerk so erhöhen, daß sie nicht zu finanzieren wären. Für die Erweiterung wollen die Regierungschefs nun 63 Milliarden Euro (123 Milliarden Mark) zurücklegen und gleichzeitig die Struktur- und Agrarhilfen senken. Außerdem soll das System der Agrarsubventionierung, das landwirtschaftliche Produkte künstlich teuer hält und die Industrialisierung der Landwirtschaft gefördert hat, sinnvoll umgestaltet werden.

Gut die Hälfte des EU-Etats von jährlich etwa 80 Milliarden Euro geht für Agrarsubventionen drauf. Nach der Vorabsprache der Agrarminister vor zwei Wochen sollen in den kommenden sieben Jahren 314 Milliarden Euro für die Bauern ausgegeben werden. Um zu einer Einigung zu gelangen, überzogen die Agrarminister den gesteckten Rahmen um mehr als zwei Prozent – eigentlich sollten die Agrarausgaben eingefroren werden.

Entwicklungshilfen für strukturschwache EU-Regionen fließen aus dem Strukturfonds. Diese Hilfen sollen nach dem Agenda-Entwurf der EU-Kommission künftig stärker gebündelt werden – was schon feststeht – und zwischen 2000 bis 2006 rund 218 Milliarden Euro betragen. Der Kohäsionsfonds soll ärmeren Ländern den Anschluß an die übrigen ermöglichen. Er ist im Agenda-Entwurf mit 22 Milliarden Euro veranschlagt und soll langsam auslaufen. Schließlich haben die Hauptempfängerländer Irland, Spanien, Portugal und Griechenland schon weitgehend aufgeschlossen.

Die Kontrahenten: Am meisten Ärger macht derzeit Frankreich, das besonders viele Bauern hat. Es ist das einzige Land, daß den Agrar-Vorabkompromiß noch in Frage stellt. Es will die Garantiepreise etwa für Rindfleisch nicht so stark senken wie vereinbart und lieber die direkten Hilfen für Bauern allmählich kürzen. Praktisch ein Rückschritt zum alten Modell. Erfolgreich blockiert hat Frankreich bereits die Idee der Kofinanzierung, nach der die Länder zu den Agrarsubventionen einen Eigenanteil zahlen sollten.

Spanien und Portugal möchten aus naheliegenden Gründen nicht auf den Kohäsionsfond verzichten. Die Nordeuropäer möchten ihn lieber ganz abschaffen und außerdem den Strukturfonds um ein Drittel kürzen.

Der zweite Gegenstand: Die Einnahmen. Auch sie sollen neu verhandelt werden. Hier machte vor allem Nettozahler Deutschland Druck, unterstützt von Österreich, Schweden und den Niederlanden. Sie wollen ein Kappungsmodell, das die Ausgaben auf einen festen Anteil das Bruttoinlandsproduktes begrenzt – ein Modell mit geringen Erfolgsaussichten. Die vier Nordländer wollen auch die Zahlungen an die EU nicht mehr von den Mehrwertsteuereinnahmen der Länder abhängig machen, sondern von der Wirtschaftskraft.

Italien ist entschieden dagegen, weil es von der Mehrwertsteuerregel mit rund einer halben Milliarde Euro jährlich profitiert.

Deutschland will außerdem Großbritanniens Rabatt knacken: Den hatte noch Margret „I want my money back“ Thatcher ausgehandelt: Der Rabatt bringt den Briten rund drei Milliarden Euro jährlich, obwohl sein Grund – die höhere Produktivität der britischen Bauern – seit BSE entfallen ist. Selbstverständlich wollen die Briten ihren Rabatt behalten.

Vor allem die Nordländer könnten nun von der Kommissionskrise profitieren. Als neuer Präsident wäre ohnehin wieder ein Kandidat aus den Südländern dran. Aber es gilt auch das Gesetz des Kuhhandels: kein südlicher Kommissionschef ohne Gegenleistung.

Mit der Krisenstimmung durch den Rücktritt der EU-Kommission sind paradoxerweise die Chancen für eine Einigung auf dem Berliner Gipfel gewachsen. Die 15 Regierungschefs können es sich kaum noch erlauben, den Gipfel scheitern zu lassen. Auch die Krise im Kosovo trägt zu diesem Druck bei. Wer trotzdem nicht an eine Einigung glaubt, kann ja schon mal ein paar Dollars kaufen – denn der Euro fällt dann bestimmt.

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