piwik no script img

Fußballfront für Milošević: Die in Spanien beschäftigten jugoslawischen Nationalspieler wollen aus Protest gegen die Nato streiken

Jugoslawische Fußballspieler wollen nicht für den „Feind“ spielen. Am Donnerstag abend riefen die Stars der Nationalmannschaft jene Spieler, die in Nato-Ländern unter Vertrag stehen, zum Streik auf. „Um gegen die Angriffe der Nato auf unser Land zu protestieren“, heißt es in einer vom Belgrader Fernsehen veröffentlichten Erklärung von Pedrag Mijatović (Real Madrid), Dejan Savicević (Roter Stern Belgrad) und Dragan Stojković (Nagoya Grampus Eight/Japan).

„Wie sollen wir spielen, während unsere Familie dem Bombenhagel ausgesetzt sind?“ fragte Mijatović, als er in der Nacht zu Freitag in Madrid ankam. Wie viele seiner Kollegen hatte er das Trainingslager der Nationalelf verlassen, nachdem die ursprünglich angesetzten Qualifikationsspiele für die Europameisterschaft verschoben worden waren, und war mit Kind und Verlobter über Ungarn geflüchtet. „Ich habe die Bomben fallen und die Angst der Menschen gesehen. Das alles läßt sich nicht in Worte fassen“, versuchte der Spieler der Presse „den schlimmsten Augenblick meines Lebens“ näherzubringen.

Nach Schätzungen des Jugoslawischen Fußballverbandes kicken über 3.000 Jugoslawen im Ausland. Alleine in der ersten und zweiten spanischen Liga sind es 36. Wie viele davon am kommenden Wochenende tatsächlich die Spiele ihrer Vereine boykottieren werden, darüber will Mijatović keine genauen Angaben machen: „Das ist eine persönliche Entscheidung. Jeder muß das tun, was sein Herz verlangt.“ Wo sein Herz schlägt, darüber läßt Mijatović keine Zweifel aufkommen. „Ich stehe hinter unseren Politikern“, sagte er. An die Nato gerichtet: „Keiner hat das Recht, uns zu verurteilen. Das steht nur Gott zu.“

Dem Brüsseler Nato-Hauptquartier ist die geplante Rebellion auf den Fußballplätzen nicht entgangen. Gestern morgen bekam die Nachrichtenredaktion des öffentlichen spanischen Fernsehens TVE einen Anruf aus dem Nato- Pressebüro. Spaniens Medien würden zuviel Werbung für Belgrad machen, lautete der Vorwurf an die Sportredaktion des Hauses.

Die deutschen Klubs schirmten ihre serbische Angestellten ab, so gut es ging. Sowohl beim VfB Stuttgart, wo drei Jugoslawen unter Vertrag sind, als auch in Dortmund, wo Miroslav Stević spielt, hieß es, die Spieler gäben „keinen Kommentar“ ab. Von Slobodan Komljenović vom MSV Duisburg, einziger aktueller jugoslawischer Nationalspieler in der Bundesliga, war nur zu erfahren, daß er von der Länderspielreise zurückgekehrt ist und gestern bereits wieder in Duisburg trainierte. Der nächste Spieltag sei ja erst am kommenden Wochenende, so Jens Marschall von der VfB-Pressestelle: „Da kann noch viel passieren.“ Reiner Wandler, Madrid

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen