Weitere Bomben – aber wie weiter?

■ In Deutschland läßt der Krieg auf dem Balkan Politiker aller Fraktionen enger zusammenrücken. Nur wenige kritische Stimmen werden hierzulande laut. Obwohl die Nato weiter bombt, ist Jugoslawiens Präsident Milosevic nicht bereit einzulenken. Im Gegenteil: Das Morden im Kosovo geht weiter – fast unter Ausschluß der internationalen Öffentlichkeit.

An anderen Tagen hätte Bundeskanzler Gerhard Schröder Hohngelächter geerntet. „Romani, äh... Rumano..., nee Romano Prodi“ stotterte er, als er die überraschende Einigung des EU-Rates für den neuen Kommissionspräsidenten Romano Prodi herausheben wollte. Aber an diesem Freitag morgen, wenige Stunden nach Beendigung des EU-Gipfels um 6 Uhr früh in Berlin, blieben abfällige Bemerkungen aus.

Es schien so, als sei der Bundestag zusammengerückt, in einer Zeit, in der Krieg in Europa herrscht. FDP-Chef Wolfgang Gerhardt bedachte Verteidigungsminister Rudolf Scharping mit ungewöhnlich warmen Worten. „Ich möchte ihn im Namen meiner Fraktion ausdrücklich persönlich loben. Wir danken ihm.“ Und Oppositionsführer Wolfgang Schäuble stellte seine Rede unter das Motto: „Zeit zum Frieden, Zeit zum Streit“, und ließ keinen Zweifel daran, daß jetzt Zeit zum Frieden sei.

Die Bundesregierung, versprach Schäuble, könne sich beim Konflikt im Kosovo auf die Unterstützung der CDU/CSU-Fraktion verlassen. Er finde es richtig, was der Bundeskanzler grundsätzlich zu Europa, dem Prozeß der europäischen Integration, der Notwendigkeit der Osterweiterung der EU gesagt habe. Insbesondere unterstütze er die rasche Einigung auf den neuen Kommissionspräsidenten Romano Prodi.

Dabei war es nun wirklich keine große Rede des sichtlich erschöpften Kanzlers. Aber mit einem „aufrichtig und tief empfundenen Wort des Dankes an unsere Soldaten und ihre Familien“ läßt sich in diesen Tagen immer allgemeiner Beifall erhalten, und auch die Erinnerung an die „Gefährlichkeit der Mission“ kommt – weil so aufrichtig – immer gut. Wolfgang Schäuble wollte nicht nachstehen und formulierte auf seine Weise: „Wir fühlen uns in dieser Stunde verbunden mit den Soldaten und ihren Familien sowie den Streitkräften unserer Verbündeten.“ Wie gut für die Opposition, daß der Kanzler sich wenigstens selbst ein Ei ins Nest legte. Als er auf die beabsichtigte Kooperation der EU mit Südafrika zu sprechen kam, sagte er, Nelson Mandela sei „ihm persönlich immer ein Vorbild“ gewesen. Da ließen es sich die Abgeordneten von Union und FDP nicht entgehen, wohlig aufzustöhnen.

Die Opposition steckte in einem Dilemma. In der alles beherrschenden Frage des Kosovo-Einsatzes ist sie sich derart einig mit der Bundesregierung, daß sie gar nicht mehr als Opposition sichtbar ist. Also die Ergebnisse des EU- Gipfels kritisieren. Aber so schlecht sehen die auf den ersten Blick gar nicht aus. Angesichts der Kosovo-Krise sind viele froh, daß überhaupt etwas erreicht worden ist. Schäuble sagte anfangs in ungewohnter Zurückhaltung, die Resultate blieben hinter den Erwartungen zurück. Allerdings fiel er mit zunehmender Dauer seiner Rede doch in alte Reflexe zurück. Am Ende bezeichnete er die Ergebnisse als „kläglich“. Niemand im deutschen Bundestag war an diesem Tag emotionaler am Rednerpult als Außenminister Joschka Fischer. In dieser für Europa „historischen Woche“, analysierte der Grünen-Politiker zu Beginn, habe es ein ungewöhnliches Zusammentreffen dreier Krisensituationen gegeben: den Rücktritt der EU- Kommission, die Agenda 2000 und den Krieg im Kosovo. Fischer zufolge gibt es einen inneren, sehr engen Zusammenhang zwischen diesen drei Themen. Der Einigungsdruck beim EU-Gipfel sei zwar durch den Krieg nicht größer gewesen, aber es sei doch ein größeres Maß an Verantwortung zu spüren gewesen. „Alle haben gespürt, wie wichtig es für Europa ist, sich weiterzuentwickeln.“

Leidenschaftlich wie kein anderer im Parlament rechtfertigte Fischer den Kosovo-Einsatz. Es könne doch nicht sein, daß die Unterdrückung einer großen Bevölkerungsgruppe wie im Kosovo zum Standard des 21. Jahrhunderts werde. „Dieser Krieg ist Teil Europas“, rief er aus, „und muß von den Europäern gelöst werden.“

Ausdrücklich wandte er sich gegen seinen Parteifreund Christian Ströbele, der am Tag zuvor gesagt hatte: „Von Deutschland geht wieder Krieg aus. Ich schäme mich für mein Land, das Bomben auf Belgrad wirft.“ Fischer sagte: „Ich möchte mit allem Nachdruck zurückweisen, daß von deutschem Boden wieder Krieg ausgeht.“ Den PDS-Chef Gregor Gysi nahm er allerdings vor Zwischenrufern in Schutz, die dessen ablehnende Haltung zu den Bombenangriffen der Nato kritisierten. „Die PDS“, sagte er mit aufrichtiger Erregung, „artikuliert eine Position, die legitim ist.“ Markus Franz, Bonn