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Eine Woche Krieg. Ein Moment Hoffnung

■ Von Moskau nach Belgrad nach Bonn: Der russische Premier Primakow ist derzeit der einzige, der einen dünnen Gesprächsfaden zwischen den Kriegsparteien spinnt. Die Nato verstärkt ihre Bombenangriffe auf Jugoslawien, die Vertreibung aus dem Kosovo geht ungehindert weiter

Die Nato muß ihre Luftangriffe einstellen. In diesem Fall ist der jugoslawische Ministerpräsident Sloboban Milosevic bereit, die militärische Präsenz im Kosovo zu verringern. Aber nur dann, so seine zweite Bedingung, wenn die „albanischen Terroristen“ dasselbe täten. Dies sind, kurz zusammengefaßt, die Ergebnisse des sechsstündigen Treffens mit Milosevic in Belgrad, die der russische Premier Jewgeni Primakow bei seiner Ankunft in Bonn und vor seinem Gespräch mit Bundeskanzler Schröder gestern abend vor der Presse referierte. Kein Wunder, daß angesichts dieser Nachrichten die Nato in einer ersten Stellungnahme zurückhaltend reagierte. Milosevic habe schon viele ähnliche Versprechungen gebrochen, sagte ein Sprecher der Allianz.

Nach seiner kurzen Erklärung begann Primakow sein Gespräch mit Schröder. Auch die Möglichkeit eines Treffens mit Nato-Generalsekretär Javier Solana in Brüssel wurde nicht ausgeschlossen.

Primakow war nach Angaben eines Beraters bei seinen Verhandlungen in Belgrad mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet, wie die russischen Nachrichtenagenturen meldeten. An den Gesprächen nahmen auch die Außen- und Verteidigungsminister Rußlands und Jugoslawiens sowie der serbische Präsident Milan Milutinovic teil.

Jelzin hatte Primakow beauftragt, einen Versuch zur Herbeiführung eines Waffenstillstandes zwischen Jugoslawien und der Nato zu unternehmen. Solana hatte die Sicherheit des russischen Ministerpräsidenten für die Zeit seines Aufenthaltes in der restjugoslawischen Hauptstadt garantiert.

Die Nato hatte sich schon im Vorfeld skeptisch im Hinblick auf die Erfolgsaussichten der Primakow-Mission gezeigt. Nato-Sprecher James Shea sagte, das Bündnis akzeptiere nur verbindliche Zusagen von Milosevic. „Wir wollen Garantien, daß alle Panzer, Truppen und Geschütze abgezogen werden“, sagte Shea gestern. „Wir wollen keinen Waffenstillstand, der nur ein paar Wochen dauert. Davon haben wir schon genug gehabt.“

Der russische Präsident Jelzin kritisierte erneut die Nato-Angriffe, betonte aber zugleich, sein Land werde sich nicht in den Konflikt hineinziehen lassen und wolle keine langanhaltende Krise in den Beziehungen zu den USA. „Die Balkan-Krise verlangt von unserer Seite verantwortliches Handeln und nicht eine emotionale Reaktion“, unterstrich Jelzin in einer Rede vor dem Parlament. Er nannte es „gefährlich und inakzeptabel“, daß die Nato versuche, ihre Lösungsvorstellungen gewaltsam durchzusetzen und dabei sowohl die UNO als auch die OSZE zu „ersetzen“.

Die Nato hatte ihre Angriffe am Montag und Dienstag ungebrochen fortgesetzt. Bei der sechsten Angriffswelle wurden erstmals auch Spezialflugzeuge zur Zerstörung von Panzern eingesetzt. Bombardiert wurden vor allem Einrichtungen serbischer Truppen im Kosovo.

Angesichts der Massenflucht aus der serbischen Provinz haben jetzt mehrere Gremien und Organisationen Beratungen über die Lage der Flüchtlinge angesetzt. Die Außenminister der EU-Troika wollen am Donnerstag auf dem Petersberg bei Bonn darüber beraten. Die Minister aus Deutschland, Finnland und Österreich wollten sich auch mit den Außenministern von sieben Staaten treffen, die von dem Flüchtlingsproblem betroffen seien. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates schlug eine internationale Flüchtlingskonferenz für die Opfer des Kosovo- Konflikts vor. Bei einer Tagung in Rom forderte die Versammlung die Europäer gestern zu Hilfen für die Flüchtlinge auf. Vor allem bräuchten die Nachbarländer Jugoslawiens wie Albanien und Makedonien, die den Großteil des Flüchtlingsstromes aufnehmen müßten, Unterstützung. Auch das UN-Flüchtlingshilfswerk rief gestern kurzfristig eine Geberkonferenz für die notleidenden Flüchtlinge aus dem Kosovo ein. AFP, dpa

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