: Vier Freunde für Millionen
Eine alte Seilschaft aus der Banken- und Bauszene brockte bei dem Entwicklungsgebiet Wasserstadt Oberhavel dem Land Verluste in dreistelliger Millionenhöhe ein ■ Von Mathew D. Rose
Es war ein regnerischer Nachmittag Ende 1997 als sich Hans Görler dem nächsten Problemfeld widmete. Görler ist Geschäftsführer der „Immobilien- und Baumanagement der Bankgesellschaft Berlin GmbH“ (IBG). Eine Tochterfirma schob potentielle Verluste von rund 100 Millionen Mark vor sich her, nachdem sie sich mit Grundstücksgeschäften im Berliner Entwicklungsgebiet Wasserstadt Oberhavel verspekuliert hatte. Die krisengeschüttelte Bankgesellschaft konnte sich keine Wertberichtigung dieses Ausmaßes erlauben.
Görler wußte die Lösung. Er bestellte die Geschäftsführung der leidenden Firma, der „GEG Grundstücksentwicklungsgesellschaft Wasserstadt Berlin-Oberhavel“ , zum Rapport. Aufwendig war das nicht, da er selbst gemeinsam mit Ulrich Hellweg dieses Amt bekleidete. Das Vorgehen der beiden war einfach. Sämtliche Grundstückskäufe übertrug die GEG einfach dem Treuhandvermögen des Landes. Unter dieser Bezeichung verbucht das teilweise landeseigene Entwicklungsgebiet Wasserstadt Verluste, die in Zukunft das Land tragen muß. Damit war das Miese-Geschäft aus den Büchern der GEG sauber verschwunden und vom Steuerzahler übernommen worden.
Zuständig für die Aufnahme der GEG-Millionen in das Treuhandvermögen war der kaufmännische Geschäftsführer der Wasserstadt GmbH, Ulrich Hellweg, Görlers Geschäftsführerkollege bei der GEG. Damit war diese Schwierigkeit ausgestanden. Daß der technische Geschäftsführer der Wasserstadt GmbH, Jürgen Nottmeyer, Probleme machen könnte, war unwahrscheinlich. Nottmeyer ist ein alter Kollege von Görler aus der Berliner Bauverwaltung. Beide sind Sozialdemokraten. Görler hatte außerdem, wie Insider wissen, Nottmeyer mit auf den gut bezahlten Geschäftsführer-Stuhl (275.000 Mark jährlich) in der Wasserstadt gehievt. Auch Hellweg ist ein alter Kumpane von Nottmeyer aus den Zeiten der Internationalen Bauaustellung (IBA) der 80er Jahre.
Die nächste Hürde war der Aufsichtsrat der Wasserstadt. Dahin hatte Görler ebenfalls einen kurzen Draht. Er war seit 1995 Mitglied, da die Wasserstadt zu 50 Prozent der IBG-Tochter „LBB Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbH“ gehörte, bei der Görler und Hellweg ebenfalls Geschäftsführer sind.
Schwierigkeiten konnten nur aus der Bauverwaltung kommen. Der dafür zuständige Leiter der Abteilung für Wohnungsbau und Stadterneuerung war Günter Fuderholz. Auch Fuderholz gehört zur IBA-Gang. Görler und Fuderholz, SPD-Genossen und Duzfreunde aus gemeinsamen Bauverwaltung-Zeiten, verstehen sich blendend. So gut, daß Fuderholz im September 1998 die Bauverwaltung verließ und seitdem als Geschäftsführer einer Tochterfirma Görlers IBG-Gruppe, die „DSK Deutsche Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft GmbH“ amtiert.
Sicherlich werden die Akteure abstreiten, daß dieser Ablauf der Realität entspricht. Was genau in diesem kleinen Kreis passierte, wissen wir nicht. Die Ämterhäufung in der Wasserstadt ist jedoch unumstritten. In seinem neuesten Wasserstadt-Bericht vom Februar spricht der Landesrechnungshof von der „Gefahr eines Interessenkonflikts zwischen Bankenkonzern und Treuhandvermögen“. Der Rechnungshof erklärte im übrigen auch die Unterbringung der GEG-Millionen im Treuhandvermögen für unzulässig.
Hinter den GEG-Fehlspekulation steckt aber eine viel größeren Geschichte, die sich zum gravierendsten Bauskandal in der Geschichte des Landes Berlin ausweiten könnte – das Entwicklungsgebiet Wasserstadt Oberhavel. Die drohende Milliarden-Pleite in Spandau ist eine Schöpfung der Landesbank, die später ein Teil der heutigen Bankgesellschaft Berlin wurde – und einer SPD-Seilschaft, die mit einem großen Wurf viel Geld auf Kosten der Steuerzahler zu verdienen versuchten.
Das Entwicklungsgebiet Wasserstadt Oberhavel wurde 1990 unter der Ägide des damaligen Bausenators Wolfgang Nagel und seines Staatssekretärs Görler (beide SPD) konzipiert. Mit der Wasserstadt Oberhavel, die er unter anderem mit den Londoner Docklands verglich, wollte sich Nagel ein Denkmal setzen.
Als erstes wurde Nottmeyer vom Senat für zwei Millionen Mark beauftragt, das Finanzierungsmodell zu erarbeiten. Als Entwicklungsträger entstand 1992 ein Gemeinschaftsunternehmen des Landes Berlin und der von der Berliner SPD dominierten Landesbank: die heutige Wasserstadt GmbH. Im Aufsichtsrat des Entwicklungsträgers saßen Nagel höchstpersönlich als Vorsitzender sowie sein Abteilungsleiter Fuderholz. Nagels Doppelfunktion als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Landesbank war eine gute Voraussetzung, dafür sein „Kind“ Wasserstadt mit ausreichenden Finanzmittel auszustatten.
Zum Geschäftsführer des Entwicklungsträgers wurde Nottmeyer ernannt. Nach einem Kooperationsvertrag aus dem Jahre 1992 sollte die Banktochter GEG die kaufmännische Abwicklung der Wasserstadt Oberhavel übernehmen. Dazu gehörte auch der Grunderwerb – laut Vereinbarung auf eigenes Risiko.
Bis 1995 erwarb die GEG Grundstücke im Wert von 156 Millionen Mark – um sie aber, als sie nicht mehr mit Profit vermarktbar waren, ins Treuhandvermögen des Landes zu verschieben. Das Risiko sollte fortan die öffentliche Hand tragen. Auch sonst ließ die LBB keine Verdienstmöglichkeit aus. Die LBB-Tochter GEG war Dienstleister für den Wasserstadt-Entwicklungsträger, sie stellt dort das kaufmännische Personal gegen Zahlung hoher Gehälter.
Leider kam Berlins Bauboom 1994 ins Stocken. Die Investoren der Wasserstadt blieben aus. „Ende 1994 war die Wasserstadt Oberhavel nicht mehr zu retten. Das Entwicklungsgebiet hätte abgewickelt werden müssen“, meint heute Ida Schillen, baupolitsche Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus. Das hätte jedoch erhebliche Verluste bei der Bankgesellschaft verursacht. Um dies zu verhindern, gründete die Landesbank 1995 ein Joint-venture mit der Siemens AG in der Wasserstadt: das „Quartier Havelspitze“. Das Geschäft wurde von Görler, der zu der Zeit Geschäftsführer der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Gehag war, im Auftrag Nagels eingefädelt.
Das Risiko in der Havelspitze, so ein Insider, trägt hauptsächlich die Landesbank. Laut Siemens-Pressesprecher von Kühlmann-Stamm ist tatsächlich vereinbart, „daß nach Fertigstellung, alle Neubauten in Besitz der Landesbank übergehen.“ Heute befinden sie sich in den Immobilien-Fonds der Landesbank. Die wenig attraktiven, nur zur Hälfte vermieteten Wohnhäuser der Havelspitze kommen dem Geldinstitut heute teuer zu stehen. Den Fonds-Anlegern wurden Vollvermietungsgarantien gegeben. Garant ist Görlers IBG-Gruppe, die deswegen schon Rückstellungen bilden mußte.
Außerdem butterte das Land kräftig zu. Etwa 80 Prozent der Wohnungen auf der Havelspitze sind vom Senat gefördert. Zu danken ist ebenfalls Günter Fuderholz, dessen Abteilung die Fördermittelverteilung erarbeitet. Bisher wurden 922 Millionen Mark Wohnungsbauförderung für die Wasserstadt Oberhavel bewilligt.
Doch es gab noch einen weiteren Haken im Deal. Gegenüber der Havelspitze standen Tanklager der Firmen Shell und Esso. Exklusive Wohnungen mit Blick auf Wasser und Öltanks konnten kaum verkauft werden. Die GEG wußte, warum sie die 24 Hektar mit Tank-Anlagen nicht haben wollte. Nagels Bauverwaltung genehmigte jedoch den Kauf durch die Wasserstadt GmbH für 215 Millionen Mark, wonach die Anlage abgerissen wurde. Laut Rechnungshof wird dieses Grundstück enorme Verluste für das Land verursachen.
Insgesamt war die GEG als kaufmännischer Geschäftsbesorger der Wasserstadt alles andere als erfolgreich. Die Wasserstadt GmbH schiebt an der Oberhavel einen Kreditberg von bald rund 700 Millionen Mark vor sich her. Damit machen die Geldinstitute, darunter die Bankgesellschaft Berlin, hervorragende Geschäfte. Laut dem Rechnungshof könnten die Verluste der Wasserstadt Oberhavel für das Land Berlin hingegen eine Milliarde Mark erreichen.
Anfang 1998 traten Görler und Hellweg als Geschäftsführer der GEG zurück. Auch die Wasserstadt GmbH beendete kurz danach ihren 1,5 Millionen Mark Kooperationsvertrag mit der GEG. Dafür schlossen Hellweg und Nottmeyer für die Wasserstadt GmbH einen neuen Geschäftsbesorgungsvertrag für rund 3,8 Millionen Mark mit der LBB Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbh Bau- und Projektentwicklung ab. Deren Geschäftsführer: Hans Görler und Ulrich Hellweg.
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