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Eine schwache Ehrung für Herold

■ Das Bundeskriminalamt hat zum 75. dem Überwachungsvisionär Horst Herold eine teils banale, teils fachidiotische Festschrift geschenkt

Horst Herold, von 1971 bis 1981 Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA) in Wiesbaden, hat die oberste Polizeibehörde so nachhaltig geprägt wie kein zweiter. Dies macht das Buch, das sein BKA ihm widmete, nicht nur im Titel klar. Außer bei einigen Alt- 68ern und Altbürgerrechtlern verliert sich dann seine Wirkung auf die Menschen außerhalb des Sonnentempels der deutschen Kriminalpolizei. Dies jedenfalls legt der Umstand nahe, daß das Buch von einer jungen Reinigungskraft ohne weitere Umstände gleich mit elegantem Hüftschwung in den Putzeimer befördert wurde. Lassen wir also die Laudatio und die diversen Reminiszenzen an Horst Herold in den einzelnen Beiträgen beiseite. Soviel nur: Auch fast zwanzig Jahre nach seinem Ausscheiden scheint er der einzige echte Visionär im BKA gewesen zu sein. Was von den einzelnen Fachautoren nämlich an Ausblicken und Perspektiven geboten wird, entpuppt sich nahezu durchgängig als bürokratische Anpassung von Ermittlungsmethoden an fortschreitende technische Möglichkeiten oder als weinerlicher Appell an die Kriminalpolitik. Wenn es nicht noch schlimmer kommt.

Wie beispielsweise die Darstellung der neuen Wunderwaffe fürs nächste Jahrtausend: Die „Strategische Kriminalitätsanalyse“ (SKA). Nach Möglichkeit schon heute die kriminellen Phänome von morgen erkennen – im Wettlauf zwischen Hase und Igel nicht länger der ewige Zweite zu sein ist das ehrgeizige Ziel. SKA-Projekte sollen daher „vor allem die Kriminalpolitik und die Polizei durch Aufzeigen von Risiken und Chancen, von Entscheidungs- und Handlungsbedarf sowie durch Anbieten von Lösungsansätzen und Maßnahmenvorschlägen in die Lage versetzen zu agieren, statt zu reagieren“.

Was dabei im Pilotprojekt „Euro“ (1997/98) herauskam, ist wahrhaft verblüffend. Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnis („Der komplexe Sachverhalt der Einführung der neuen Währung Euro, der sich über mehrere Jahre hinziehen wird, stellt insbesondere an die Polizeien erhöhte Anforderungen“) erfolgte die Aufstellung des polizeilichen Maßnahmenkataloges. Eine Auswahl: – „Die Behörden sollten sich durch entsprechende Schulungen ihrer Mitarbeiter auf die neue Währung im voraus einstellen. Aussehen, Sicherheitsmerkmale und Beschaffenheit des Bargeldes muß bekannt sein. –Gegebenenfalls sind ,Falschgeldlehrgänge‘ bereits im Vorfeld anzupassen. [...] – Orientiert an den unterschiedlichen Phasen der Einführung ist mit unterschiedlichem Auftreten insbesondere von Falschgeldkriminalität, Geldwäsche, Raub und Diebstahlsdelikten sowie verschiedenen Vermögensdelikten zu rechnen. Dem sollte organisatorisch Rechnung getragen werden. [...] – Neue Chancen der Aufklärung von Straftaten können sich ergeben, Zusammenhänge können erkannt und Täter können möglicherweise Delikten zugeordnet werden, insbesondere im Zusammenhang mit der Häufung von Geldwäsche-Verdachtsanzeigen und dem Eintausch von Falschgeld oder Registriergeld. [...]“

Ähnlich Niveauvolles findet sich auch in vielen anderen Beiträgen. Oder es ist, wie die Darstellung der Kriminaltechnik, so technisch, daß der Normalleser gleich weiterblättert. Allgemein interessierende Informationen finden sich – versteckt wie Ostereier – nur wenige.

So bleibt das Buch, das den Standort des BKA vor dem „Schritt in das dritte Jahrtausend“ darstellen soll, ein Werk für Insider. Antworten darauf, wohin dieser Schritt führen könnte, erhalten jedoch auch sie nicht. Irgendwie hat Horst Herold eine solche Festschrift nicht verdient. Ach was, Gefühlsduselei! Sollte das Buch während der Lektüre igendwie überschwemmt werden – Trocknen lohnt nicht. Otto Diederich

Bundeskriminalamt (Hg.): „Festschrift für Horst Herold zum 75. Geburtstag. Das Bundeskriminalamt am Ausgang des 20. Jahrhunderts“. Wiesbaden 1998, 651 Seiten

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