: Erster Straßenkampf zwischen Rot und Grün
■ Müntefering will neue Autobahn in Bayern bauen, Grüne wollen das verhindern
Berlin (taz) – Die rot-grüne Bundesregierung hat ihren ersten schweren Konflikt in der Verkehrspolitik. Die Autobahnverbindung zwischen Bayern und Thüringen durch die A 71/A 73 spaltet die Koalitionäre. Bei einem Spitzengespräch zwischen Bundesverkehrsminister Franz Müntefering (SPD) und seiner Behördenspitze mit der grünen Abgeordenten Franziska Eichstätt-Bohlig und Albert Schmidt stellten sie am Dienstag abend nur einen „Dissens“ fest, sagte Schmidt der taz. Während den Grünen der Bau der A 71/A 73 unsinnig erscheint, hält Müntefering das Projekt für unverzichtbar.
„Dieser Bau ist auf der Hitliste der umstrittenen Projekte die Nummer eins“, sagt der grüne Abgeordnete und Verkehrsexperte Albert Schmidt, der das Projekt im Zweifel bis in den Koalitionsausschuß zerren will. Die Autobahnverbindung von Erfurt mit den Städten Schweinfurt und Lichtenfels wurde Anfang der Neunziger vom CDU-Verkehrsministerium als Verkehrspojekt Deutsche Einheit (VDE) Nummer 16 geplant.
Doch die Zeiten haben sich geändert: Statt der veranschlagten 1,9 Milliarden Mark würde die Autobahn jetzt 5,2 Milliarden kosten, statt der bisher erwarteten 35.000 Kfz werden nach neuen Schätzungen nur noch 27.000 Kfz auf der Thüringer-Wald-Autobahn erwartet. „Das Kosten-Nutzen-Verhältnis hat sich extrem zuungunsten der Maßnahme verschoben, so daß schon deshalb eine Überprüfung geboten ist“, schreiben die Grünen mit Hinweis auf ein neues Verkehrsgutachten vom Februar. Sowohl SPD als auch Grüne haben sich im Wahlkampf gegen die Autobahn auf bayerischer Seite ausgesprochen. Jetzt gebe es die ersten Parteiaustritte, heißt es bei den Grünen.
Schmidt verweist auf eine „kleine Lösung“, die das Verkehrsgutachten für Bayerns Abschnitt vorschlägt: Ein Ausbau der Bundesstraßen könne die Kosten „ohne Mobilitätseinbußen“ halbieren und die Entwicklung der Region sogar noch besser befördern. „Einziger „Nachteil“ der kleinen Lösung ist, daß keine Pkw-Höchstgeschwindigkeiten möglich sind“, urteilt das Gutachten.
Doch das Verkehrsministerium hält nichts von der Studie. Eine kleine Lösung spare kein Geld und werfe die Planung um Jahre zurück, heißt es aus Münteferings Ministerium. „Es ist klar, daß der Bau der A 71/A 73 bis zum Jahr 2005 abgeschlossen werden kann“, sagte Müntefering vergangene Woche nach einer Kabinettssitzung in Erfurt, wo sich auch Kanzler Schröder für die Autobahnen stark gemacht hatte.
Hintergrund für den Streit ist das Tauziehen um die generelle Finanzierung von Straßen und Schienen. In Oppositionszeiten waren sich SPD und Grüne einig, daß die gesamte Planung von Verkehrsinvestitionen im Bundesverkehrswegeplan auf den Prüfstand gehöre. Doch eine rot-grüne Wende bei den Ausgaben für den Verkehr läßt sich bislang nicht feststellen. Im Gegenteil: Im Haushalt 1999 plant das Müntefering-Ministerium mehr Geld für den Straßenbau als für die Bahn. Bernhard Pötter
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