: Alte Feindbilder
■ Hamburgs Verfassungsschutz hält mehr militante Neonazis für kein Problem
Der Hamburger Verfassungsschutz wird die Bundesregierung nicht unter Beobachtung stellen. Schließlich gingen die Meinungen darüber auseinander, ob sie mit ihrer Beteiligung an den Nato-Bombardements gegen das Grundgesetz verstoßen habe, verteidigte der Verfassungsschutz-Chef Reinhard Wagner (CDU) gestern engagiert die Untätigkeit seiner Behörde, als er seinen Bericht für 1998 vorstellte.
Auch ansonsten braucht Wagner nicht um die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu fürchten. Denn der politische Extremismus sei rückläufig, beobachtete sein Amt. Gemeint ist beim Rechtsextremismus damit in erster Linie, daß die rechten Parteien weniger Zulauf haben. Die Anzahl von militanten Neonazis hingegen ist sogar angestiegen. Deren Leitfigur Thomas Wulff versuche, über das Stadtgebiet hinaus ein Netzwerk örtlicher „Kameradschaften“ zu errichten.
Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) betonte, daß sich die inhaltliche Ausrichtung der Rechtsradikalen verändert habe. Revisionistische Themen wie die Leugnung des Holocaust spielten keine große Rolle mehr. Die rechte Szene besetze zunehmend aktuelle Themen wie etwa die Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes oder den Natokrieg in Jugoslawien.
Während Wrocklage im Rechtsextremismus trotz des gestiegenen Potentials gewaltbereiter Neonazis nicht mehr sieht als eine „bedrohliche Entwicklung“, warnte er vor der „linksextremistischen Szene“. Die nämlich gefährde „die öffentliche Sicherheit“. Zwar sei die Anzahl linker AktivistInnen zurückgegangen, und es gebe darunter gegenüber dem Vorjahr weniger Menschen, die er als „gewaltbereit“ einstufen würde.
Doch anders als in der rechten Szene werde Gewalt hier nicht von einzelnen ExtremistInnen, sondern aus organisierten Strukturen heraus begangen – und sei mithin weitaus gefährlicher. Gleichzeitig betonte Wrocklage, daß linke Militanz vielfach die Tatrichtung „links gegen rechts“ habe.
Die Feindbilder sind also die alten – wie die Methoden. Ob die Innenbehörde ihre Praxis beim Einsatz von V-Leuten geändert habe, seit Hamburg einen rot-grünen Senat hat? Wrocklages Antwort: „Nein“. Elke Spanner
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