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Jürgen Klemann wacht über unseren Schlaf

■ Verkehrssenator stellt Konzept gegen Verkehrslärm vor. Nachts Sperrung von Straßen

Bau- und Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU) avanciert zum Nachtwächter der Stadt. Um den nächtlichen Schlaf von Bewohnern an „stark verlärmten Straßenabschnitten“ zu gewährleisten, hat Klemann gestern ein neues „Konzept zum Verkehrslärmschutz“ vorgelegt. Kernpunkte des Papiers aus der Verkehrsverwaltung sind die Schließung ganzer Straßenzüge für Lkws zwischen 22 und 6 Uhr sowie Maßnahmen zur Geschwindigkeitsbegrenzung für andere Kraftfahrzeuge ebenfalls in dieser Zeitspanne.

Außerdem werden Schilder mit „Routenempfehlungen“ die Brummis um Wohnquartiere herumleiten. Ein Modellversuch auf zehn ausgewählten Straßen soll bis zum Herbst durchgeführt werden. Nach dessen Auswertung ist geplant, das Konzept endgültig umzusetzen.

Hintergrund des Klemann-Vorstoßes ist, daß in dem 1.300 Kilometer langen Straßennetz der Stadt rund 80 Straßen überduchschnittlich lärmbelastet (65 Dezibel und mehr) sind. Zugleich hatte ein Gutachten der Senatsverwaltung für Umweltschutz ermittelt, daß an den verkehrsreichen Strekken 170.000 Menschen durch Lärm und Schmutz um ihre Nachtruhe sowie um ihre Gesundheit gebracht werden. Schließlich sind bei Gerichten 18 Klagen von Anwohnern und Initiativen anhängig, die mit dem Land um eine Beruhigung ihrer Straßen streiten.

Nach Ansicht Klemanns bedeutet der ansteigende Lkw-Verkehr „Belastungen der Bewohner, die jetzt ernst genommen werden müssen“. Mit dem vorgestellten Konzept könnten Maßnahmen angewandt werden, „die kurzfristig Minderungen der Lärmimmission bewirken“. Konkret sollen etwa in der Schildhornstraße (Steglitz), der Brandenburgischen Straße (Wilmersdorf) und in der Edisonstraße (Treptow) Tempo-30-Zonen für die Nachtstunden eingerichtet werden. Gesperrt für Lkws werden die Silbersteinstraße (Neukölln) und die Scharnweberstraße (Reinickendorf). Umleitungsrouten sollen die Automobile aus der Schloß-,Haupt- und der Rheinstraße (Schöneberg/Steglitz) heraushalten, ebenso aus der Bahnhofstraße (Köpenick) und der Beethoven- und Mozartstraße in Tempelhof.

Obwohl Klemann das 450.000 Mark teure Konzept auf „andere Lärmstraßen“ auszudehnen gedenkt, schloß Ural Kalender, Referatsleiter der Verkehrsverwaltung, eine „flächendeckende Verkehrsberuhigung“ aus. Dergestalt würde der Wirtschaftsverkehr in schutzwürdige Straßen verlagert. Außerdem müsse Verkehr durch die Stadt fließen können.

Den grünen Verkehrsexperten geht der Lärmschutz nicht weit genug. In der Vergangenheit hatte deren Sprecher im Landtag, Michael Cramer, Tempo 30 für die gesamte Innenstadt gefordert. Außerdem sollte der Lkw-Verkehr weiträumig um die Stadt geführt werden. Die Anwohner insbesondere der Schildhornstraße hatten Klage eingereicht, da der Lärm dort nachweislich ein erhöhtes Gesundheitsrisiko wie Kreislaufbeschwerden, Schlafstörungen und Streß mit sich gebracht hatte. Rolf Lautenschläger

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