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Lieber Bouteille als Bembel

Hamburger trinken im Trend: Deutscher Wein hat im globalen Weindorf immer noch ein Akzeptanzproblem  ■ Von Heinz-Günter Hollein

Vielleicht liegt es einfach am Namen. Einen „Langenlonsheimer Bergborn“ zu bestellen verlangt nun einmal eine leichte Zunge. „Einen Soave, bitte“ geht schon eher störungsfrei über rebsaftschwere Lippen. Deutsche Weine sind in diesem Jahr zum ersten Mal auf einen Marktanteil unterhalb der 50-Prozentgrenze abgesunken. Auch Hamburgs Weinhändler beobachten einen weiterhin zunehmenden Trend zur Internationalisierung.

Dabei genießen deutsche Weine bei Verkäufern und Restaurantbesitzern durchaus einen hervorragenden Ruf. Matthias Greiner vom Weinvertrieb Reimers kennt viele Gastronomen, die ihren Gästen gerne verstärkt „einheimische Kreszenzen“ anbieten würden, aber „die Leute verlangen eben Kalifornier oder Australier“. Inge Jensen von der Weinhandlung La Vigna stellt dagegen fest: „Der Boom an Überseeweinen ist schon wieder rückläufig. Im Trend liegen derzeit Österreicher und Spanier.“ Die einen, so Jensen, „weil sie nach den Weinskandalen der 80er neuentdeckt werden“, die anderen, weil sie „zur Zeit noch günstig sind“.

Fachleute wie Greiner begrüßen diese Entwicklung, da mit der „Exoten-Schwemme“ auch eine Nivellierung im weltweiten Weinbau einherging, die bisweilen seltsame Blüten treibt. Bei einem „Rowan Brook“ etwa müssen Kunde und Kundin schon genau hinsehen, um den globalen Verflechtungen des Flascheninhalts auf die Spur zu kommen. Wer vermutet angesichts des englischen Namens schon einen chilenischen Wein aus einer klassischen französischen Rebsorte (Cabernet Sauvignon), die in amerikanischen und französischen Eichenfässern ausgebaut wurde? Die Weinwelt von Chile über Süd-afrika bis Neuseeland ist „von einer regelrechten Monokultur“ geprägt, bedauert Matthias Greiner und meint die Konzentration auf die Universalreben Chardonnay und Cabernet Sauvignon bei Weiß- und Rotweinen.

Entdeckungen sind trotzdem möglich. Armin Hinz zum Beispiel versucht mit einem kleinen Sortiment slowenischer Weine seit sechs Jahren, „als Pionier“ von Hamburg aus Vorbehalte gegen osteuropäische Weine abzubauen, und wußte mit seinen Raritäten selbst verhärteten Verkosterzungen überraschte Wohllaute zu entlocken.

Deutschen Gewächsen hingegen werden wohlklingende Worte vor allem in Gastro- und Weinfachzeitschriften gewidmet. „Deutsche Weine sind gut“, lautet auch das einhellige Urteil der Hamburger Weinhändler, dem jedoch stets ein etwas ratloses „aber“ folgt, wenn es um die Gründe für den schwindenden Zuspruch geht. Der Anstrich von Weltläufigkeit auf dem Etikett wiegt eben schwer.

Es braucht offenbar den Enthusiasmus von Hobby-Importeuren wie Inge Woitanowski, die von Norderstedt aus ihre Stammkunden mit württembergischem Trollinger und Kerner versorgt. Ihre Kunden, sagt sie, sind zufrieden und „auch bereit, etwas mehr für ein bodenständiges Gewächs zu bezahlen“.

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