: Die SPD hat versagt
■ Bürgerrechte fahrlässig preisgegeben
Die SPD hat auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit schwer versagt. Ohne Not hat sie dem steten Drängen des Koalitionspartners CDU nachgegeben. Gestern nun beschloß das Parlament mit den Stimmen von CDU und SPD die Einführung verdachtsunabhängiger Polizeikontrollen und die Wiederbelebung der obsoleten Freiwilligen Polizeireserve.
Künftig kann jeder Bürger ohne vorigen Verdacht kontrolliert werden, wenn der Polizeipräsident zuvor feststellt, daß Straftaten von erheblicher Bedeutung zu erwarten sind, und lagebildbedingte Kontrollen anordnet. Die Effektivität beider Maßnahmen darf bezweifelt werden, der Schaden für die Bürgerrechte ist indes enorm. Berlin hat ein weiteres Stück auf dem Weg in den polizeilichen Kontrollstaat zurückgelegt. Womöglich werden bei solchen Kontrollen zufällig einzelne Kriminelle erwischt, doch der Preis, den alle BürgerInnen dafür zahlen, ist hoch: Sie müssen ohne Anlaß Personen- und Verkehrskontrollen über sich ergehen lassen.
Wäre die SPD in dieser Sache standfest geblieben, hätte es so weit nicht kommen müssen. Doch die Genossen haben die Innere Sicherheit mit einer Stiefmütterlichkeit behandelt, die dem Thema in keiner Weise gerecht wird. Sie sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt, da „rutscht“ ein solch brisantes Thema einfach durch. Auch die SPD-Linke ist abgetaucht und hat es versäumt, die Liberalität der Haupstadt zu verteidigen. Nach dem Vorstoß eines einzelnen Linken gelang es zwar, im SPD-Landesausschuß ein Veto gegen die Verschärfung des Polizeigesetzes einzulegen, doch dieses wurde von der SPD-Spitze übergangen. So beschert die SPD der Stadt auch die Wiederbelebung der Freiwilligen Polizeireserve, die sie selbst vor Jahren noch abschaffen wollte. Soviel zur Halbwertszeit von SPD-Beschlüssen.
Das Kalkül der SPD, das Thema Innere Sicherheit nun aus dem Wahlkampf heraushalten zu können, dürfte dennoch nicht aufgehen. Profitieren wird die CDU, die ihrer Klientel die Verschärfung des Polizeigesetzes als Erfolg verkaufen kann. Und die Christdemokraten werden stets betonen, daß sie am liebsten noch mehr durchgesetzt hätten. Dorothee Winden
Bericht Seite 30
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen