: Fünfstündiger Polizeikessel beendet den Tanz auf der Straße
■ 350 Teilnehmer der zuvor friedlichen „Reclaim the Streets“-Party wurden wegen Ordnungswidrigkeit festgesetzt
Die Polizei hat am Freitag abend 350 Teilnehmer der „Reclaim the Streets“-Party auf der Eberswalder Straße in Prenzlauer Berg eingekesselt für bis zu sechs Stunden festgehalten. Ihnen wurde eine Ordnungswidrigkeit vorgeworfen: die Teilnahme an einer verbotenen Versammlung.
Die Party richtete sich gegen die „getaktete Welt“. „Der wilde Tanz auf der Straße ist der Moment, in dem wir beginnen, Freiheit zu begreifen und zu entwikkeln“, hieß es auf Flyern und Plakaten. Am Nachmittag hatten sich mehr als 600 Menschen auf dem Alexanderplatz zu der unangemeldeten Veranstaltung eingefunden. Per U-Bahn fuhren sie zunächst zum Senefelderplatz, wo sie musizierten, jonglierten und die Straße bemalten. Solange die Veranstaltung friedlich bleibe, werde man nicht eingreifen, so eine Polizeisprecherin vor Ort.
Um 19.00 Uhr zogen die „Straßen-Zurückeroberer“ in Richtung Kollwitzplatz. Da die Zugangsstraßen jedoch abgesperrt waren, ließen sie sich auf der Kreuzung Schönhauser Allee/Danziger Straße nieder. Dort verkündete die Polizei ab 19.30 Uhr über Lautsprecher, die Kundgebung sei aufgelöst worden, und forderte die Tanzenden mehrfach auf, die Kreuzung über die Eberswalder Straße zu verlassen. Auf ein Polizeifahrzeug wurden daraufhin eine Handvoll Flaschen geworfen. Die Polizei drängte die Teilnehmer in die Eberswalder Straße und kesselte sie dort um 19.47 Uhr ein. Nur wer sich entgegen der Polizeianweisung in andere Richtungen entfernen konnte, entging dem Kessel. Innenstaatssekretär Kuno Böse (CDU) verkündete vor Ort, hier werde die „Spreu vom Weizen getrennt“. Er habe die Hoffnung, den Kern der Randalierer dieses Mal früher gefaßt zu haben.
Während ebenso friedlich und unorgansiert wie zuvor die Straßenbesetzer nun wenige hundert Meter weiter im Mauerpark Tausende die Walpurgisnacht feierten, passierte in der Eberswalder Straße erstmal gar nichts mehr. Über Funk bekamen die Polizisten zwar mehrfach die Anweisung, die Maßnahme zügig durchzuführen. Dennoch wurden erst ab etwa 22 Uhr nach und nach kleine Gruppen zum Parkplatz des benachbarten Jahn-Stadions gefahren, wo sie erkennungsdienstlich behandelt wurden. Nach Polizeiangaben wurden sechs Personen festgenommen, 24 in Anschlußgewahrsam genommen. Weitere 320 Personen wurden in Verbringungsgewahrsam gebracht, sprich an entfernten Orten ausgesetzt. Ein Student, der als einer der letzten gegen 0.30 Uhr aus dem Kessel geholt wurde, berichtete, er sei gegen 2 Uhr nachts in Hohenschönhausen freigelassen worden. Andere berichteten gegenüber Mitarbeitern der taz, in Spandau, Köpenick oder in der Nähe von Bernau ausgesetzt worden zu sein. Letzteres schloß Innensenator Eckart Werthebach (CDU) gestern aus, da eine Verbringung nur innerhalb Berlins erlaubt sei. ga/th/hum
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