Nördliche Fahndung

■  Schleswig-Holstein hat neues Fahndungskonzept gegen „Schmuggler, Schlepper, Autoschieber“. Die Bilanz des Innenministers: selbstzufrieden

Hamburg (taz) – Fährt ein norwegischer Lkw auf der A 7 plötzlich an der Ausfahrt Büdelsdorf raus, „dann fragt man sich natürlich, warum“. Zustimmung heischend blickt Harald G. über den Rand der Ray-Ban-Sonnenbrille hinweg seine Kollegin an, während er zum Schalthebel greift. Dann gibt er Gas. „Der hat was zu verbergen“, sagt er knapp.

Als Zivilstreife sind die beiden VerkehrspolizistInnen auf den Autobahnen in Schleswig-Holstein unterwegs. Getarnt im weinroten Passat und mit betont sportlicher Freizeitkleidung beobachten sie, wer sich auf der Straße verdächtig verhält. Momentan sind es Wagen mit holländischem Kennzeichen, in denen die BeamtInnen Drogen vermuten. Transporter mit verklebten Scheiben, in denen Menschen illegal über die Grenze gebracht werden könnten, „wobei der Trend auch bei Menschenschmugglern zu großen Lkws geht“.

Die Regeln dafür, wer auf der Autobahn als verdächtig gilt, können wöchentlich wechseln. Täglich wertet die Verkehrspolizeidirektion im nördlichsten Bundesland die Daten aller Festgenommenen aus. Informationen werden zusammengetragen über Anreise- und Fluchtwege, bevorzugte Fahrzeugtypen und Täterprofile. Damit werden Raster erstellt, nach denen Pkws und Lkws zu verdächtigen Fahrzeugen erklärt und bei künftigen Kontrollen aus dem Verkehr gefischt werden.

Seit einem Jahr werden in Schleswig-Holstein VerkehrspolizistInnen auch „gezielt für die Kriminalitätsbekämpfung“ eingesetzt, erklärte Innenminister Ekkehard Wienholtz (SPD), der am Montag Bilanz zog. Unterstützt vom Bundesgrenzschutz (BGS), dem Zoll und dänischen KollegInnen, fahnden sie vor allem nördlich des Nord-Ostsee-Kanals und nördlich der A 1 nach „Schmugglern, Schleppern, Autoschiebern“. Über 1.400 Tatverdächtige wurden seither ausgemacht – nach Wienholtz' Worten ein großer Erfolg. Wie vielen von ihnen tatsächlich eine Straftat nachgewiesen werden konnte, vermochte der Innenminister indes nicht zu sagen.

Neben täglichen Kontrollen stehen rund zehn Schwerpunkteinsätze pro Woche auf der Tagesordnung. Großkontrollen auf den Raststätten, „vor allem auch zur Abschreckung, damit man sieht, daß die Polizei was macht“, so Harald G. Parallel dazu „Aufklärungsstreifen“, die Parkplätze und Ausfahrten nach Lkws absuchen, die über Funk vor der Kontrolle gewarnt wurden und versuchen, rechtzeitig abzubiegen. Und kleinere Kontrolleinheiten, die hinter der Ausfahrt lauern und die Fahrzeuge abfangen. Das Fahndungskonzept soll den Wegfall der deutsch-dänischen Grenze ausgleichen, die im Rahmen des Schengen-Abkommens im Laufe des kommenden Jahres aufgehoben wird. Denn Schleswig-Holstein, so Innenminister Wienholtz, „ist ein Land, das gekennzeichnet ist durch international durchreisende Kriminalität“. Neben der gezielten Kontrolle setzt das Ministerium auf Zufallsfunde – etwa im Rahmen regulärer Verkehrskontrollen.

Auf der A 7 winken die BeamtInnen an diesem Nachmittag sämtliche Fahrzeuge auf die Raststätte „Hüttener Berge“ hinaus. Ein roter Fiat rollt auf sie zu. Flensburger Kennzeichen, darin ein Ehepaar Mitte Fünfzig, er im buntgemusterten kurzärmeligen Freizeithemd. „Die sind nun wirklich unverdächtig“, lacht der Polizist, der ihre Papiere entgegennimmt. Intensiver blättert er den Paß eines Mannes afghanischer Staatsangehörigkeit durch, der in einem weißen Kleinlaster Waren transportiert. „Er hat eine Aufenthaltserlaubnis“, murmelt er zufrieden und winkt den Wagen weiter. Für fünf Kurden hingegen endet die Fahrt auf der Raststätte. Sie sind als Asylsuchende an den Raum Köln gebunden und in zwei Taxen unterwegs Richtung dänische Grenze. Mit dänischen Kronen im Portemonnaie. „Zufall, was?“ lacht ein Beamter hämisch.

Elke Spanner