„Die Frauen hatten recht“

■  Sprachrohr in Gottes Ohr, aber bloß kein Türkenvertreter: Feridun Zaimoglu hat für sein neues Buch, „Koppstoff“, die Lebensstorys von deutsch-türkischen Frauen aufgeschrieben

Seit er 1995 die Textsammlung „Kanak Sprak“ veröffentlicht und damit deutsch-türkische Lebensentwürfe jenseits von multikultureller Idylle und Kulturkampfthesen vorgestellt hat, gilt er als Sprachrohr der dritten Einwanderungsgeneration: Feridun Zaimoglu, 1964 im türkischen Bolu geboren, seit gut 30 Jahren in Deutschland ansässig. Heute abend stellt er sein jüngstes Buch, das im Herbst erschienene „Koppstoff. Kanaka Sprak vom Rande der Gesellschaft“, vor, in dem er 26 deutsch-türkische Frauen zu Wort kommen läßt. Außerdem in der Werkstatt der Kulturen dabei: der ehemalige „Beute“-Redakteur Imran Ataya, der aus der deutsch-türkischen HipHop- und Breakdance-Szene berichten wird.

taz: Sie lesen heute abend in der Werkstatt der Kulturen, einem Veranstaltungsort, der mit einem gutgemeinten Multikultiprogramm aufwartet. Verwahren Sie sich nicht normalerweise gegen solche Ansätze?

Feridun Zaimoglu: Es mag sein, daß so etwas wie Heimatabende in der Werkstatt der Kulturen angeboten werden. Nur, wer bin ich denn, daß ich mich hinstelle und sage: Eigentlich fährt dieses Haus ein Programm, das meinem Selbstverständnis und meinen literarischen Ausdrucksmöglichkeiten widerspricht. So eine arrogante Grundhaltung geht mir von vornherein ab. Ich sehe das eher als Plattform, die es möglich macht, daß Imran und meine Wenigkeit im Stakkato literarische Texte raushauen, Musikdarbietung inbegriffen.

Kommt eine von den Frauen, deren Protokolle Sie für „Koppstoff“ aufgezeichnet haben?

Nein. Die meisten wollen anonym bleiben.

Sie lesen aus einem Buch, in dem es explizit um die Perspektive von Frauen geht. Hätte es da nicht gut gepaßt, mit einer Musikerin – vielleicht gemeinsam mit Aziza-A – aufzutreten?

Ja, schon. Wir sind auch schon gemeinsam aufgetreten, etwa beim „Kanak Attak Wochenende“ in Bremen. Natürlich passen wir zusammen, aber diesmal ist es rein zufällig so, daß Imran und ich auftreten. Wobei ich sagen muß: Ich habe diesen blödsinnigen Mist über Frauen geschrieben im Vorwort zu „Kanak Sprak“; ich könnte mich noch heute in den Arsch treten dafür ...

In „Kanak Sprak“ schreiben Sie, die „Kanaks“ seien „unerreichbar“. Das neue Buch belegt das Gegenteil. Woran liegt's?

Was in diesem Vorwort steht, ist eine große Eselei. Was ich beabsichtigt habe, damals, kommt in der entsprechenden Passage überhaupt nicht raus. Es ging mir darum, daß ich keinen voyeuristischen Blick bedienen wollte. Ich hatte keine Lust, auf den Lesungen als Alphamännchen eine Ayse-Fibel darzubieten.

Sind die Frauen auf Sie zugekommen?

Ja. Ich wurde nach Lesungen angesprochen, oder der Verlag wurde angeschrieben. Wie gesagt: Ich schreibe den Mist in dem Vorwort, woraufhin mir einige Frauen gehörig die Meinung gesagt haben. Ich stand da und dachte: Mensch, da kann ich kein kluges Gegenargument anführen, wo sie recht haben, haben sie recht.

Sie selbst bezeichnen sich als Öffentlichkeitsarbeiter ...

... unter anderem ...

Zwei der Frauen, mit denen Sie für „Koppstoff“ geredet haben, nennen Sie auch Sprachrohr. Wie steht es um diese Rolle?

Was ich nicht bin, das ist der Türkenvertreter. Sprachrohr schon eher, insofern ich Geschichten erzähle, die sonst nicht erzählt werden. Die Geschichten meiner Leute – und damit meine ich keine festgezirkelte community, sondern da gehört ein transsexueller Bruder genauso dazu wie eine Prostituierte.

Müssen Sie nicht darauf hinarbeiten, irgendwann überflüssig zu werden – in dem Sinne, daß die Leute, deren Geschichten Sie jetzt stellvertretend erzählen, dann für sich selbst sprechen?

Dein Wort in Gottes Ohr! Ich wünsche mir, daß die Leute meine Bücher in ein paar Jahren in die Hand nehmen und sagen: „Olle Kamellen, abgehakt.“ Interview: Cristina Nord ‚/B‘Feridun Zaimoglu & Imran Ayata in der Werkstatt der Kulturen: heute, 20 Uhr, Wissmannstraße 32, Neukölln