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Der neue Zwang zum Smiling

■  Weiche Strategien, harte Währung, Korruption und andere Freundlichkeiten

Während die verschiedenen Mächte früher eher mit Nörgeln und massivem Widerstand konfrontiert wurden, versucht man heute massenhaft, sie einfach wegzuschmieren. Partner und Gegner, so scheint's, sind heute nahezu identisch geworden. Beispielsweise werden Parksünder vor den Import-Export-Läden in der Berliner Kantstraße von den Polizisten oft nicht mehr aufgeschrieben, wenn sich zwei Lieferanten zusammen mit 20 Mark – ohne Quittung – zufriedengeben. Neulich wurden diese Läden von einigen Zivilisten, die sich als Kripobeamte auswiesen, aufgesucht. Sie wollten Annoncen für ihre „Polizeizeitung“ akquirieren – und zweimal gelang es ihnen auch, jeweils 1.500 Mark loszueisen. Sozialarbeiter brennen mit dem Geld von Sozialhilfeempfängern durch, und Wohnheimverwalter verscheuern Lebensmittel von Asylantragstellern. Kreuzberger Bademeister verkaufen die Eintrittskarten doppelt, und an den Bahnschaltern verlangen clevere Kartenverkäuferinnen für Sondertariftips immer dikkere Trinkgelder.

Im Schmugglerzug Berlin – Warschau verweigerte eine junge Zöllnerin die Annahme von Bestechungsgeld, woraufhin der Schmuggler sie anherrschte: „Dann holen Sie einen Kollegen, der es nimmt!“ Die Zöllnerin tat, wie ihr geheißen, und der soziale Friede war wiederhergestellt im Abteil. Im Zuge der russischen Wirtschaftskrise drifteten die Moskauer „Pyramiden“-Schwindler nach Westen ab. Neulich akquirierten diese Smartniks flächendekkend auf der ersten Etage im Haus der russischen Kultur, wobei sie völlig haltlos kostenlose Telefonanschlüsse, Internet über den Fernseher und Traumausschüttungen versprachen. Nachdem der Direktor des Hauses sie rausgeschmissen hatte, machten sie zunächst vor der Tür weiter und dann auf den Bahnhöfen. Dort köderten sie mäßig Interessierte mit Einladungen ins Prager Interconti-Hotel. Als nächstes wurden die armen russischen Exilanten von italienischen Textilhändlern überfallen: In ihren Hochburgen Charlottenburg und Marzahn boten diese lächelnd Pelzmäntel und Lederjacken – direkt aus ihren Alfa Romeos – an, wobei sie von Notverkäufen sprachen. In Köpenick und Hellersdorf gaben sie als Grund für den Verkauf ihrer Kaninchenmäntel und Plastikjacken traurige Messepannen an.

Speziell Rußlanddeutsche werden gern dergestalt gelinkt, daß ihnen Bau- und Gartenarbeiten von Auftraggebern, die in Wahrheit bloß „Arbeitskraftvermittler“ sind, angetragen werden. Bei den koreanischen Krankenschwestern war dies früher ein (verdeckt operierender) Mister Lee in Seoul, bei den kroatischen Hilfsarbeitern verhandelt das verantwortliche Arbeitsamt heute bereits offizell mit einem Paten vor Ort. Russische Prostituierte nennen deren „Anteil“ – in ihrem Fall das unentgeltliche Vögeln mit Chefs, Barbesitzern und Polizisten bis hin zu Zuhältern –: „Subbotnik“. In der Gewerkschaftsbewegung spricht man von „Deregulierung“. In allen Fällen geht es um Mehrarbeit – für weniger Geld bzw. per Vertragsbeschiß. Im Frauenfitneßimperium der Jopp-Brüder arbeiten die meisten Trainerinnen als Aushilfskräfte auf Abruf und Honorarbasis. Als „Ku'damm-Fitness“ geschlossen wurde, entledigte man sich ihrer mit einer Drei-Tage-Kündigung. Das ist kein Fun mehr. Das Kulturkaufhaus Dussmann stellt viele Buchverkäufer als Schein-„Prokuristen“ ein, weil sie damit als leitende Angestellte nicht unter das Tarifrecht fallen – und abends länger arbeiten dürfen: müssen!

Weil dieser ganze Scheiß mit dem Zerfall der Sowjetunion und der Reprivatisierung begann, wollen wir ihn Nawrokkismus nennen, denn dieser Treuhandmanager wirkt nun im Bahnbereich, und dort ist auch der Alarmismus bereits am dringendsten geboten: In Berlin verfallen immer mehr BVG- und S-Bahn-Fahrer dem Suff, und bundesweit entgleisen laufend die Züge! Das ist noch der alte (gewerkschaftliche) Widerstand – in seiner depressiv vorletzten Phase. Die letzte dürfte darin bestehen, daß die mit Lafontaines Abgang vollends kopflos gewordenen deutschen Sozi-Arbeiteraristokraten in den von Abwicklung bedrohten Stammkneipen ihre Kleinfamilien erschießen, um sich anschließend selbst umzubringen. Mit ihren Wurstfingern werden sie kaum eine Umschulung zum Computerfreak erfolgreich absolvieren. Kein Wunder, daß immer mehr von ihnen, denen die Frau rechtzeitig davonlief, sich gegen eine einmalige Leibrente von mittlerweile bis zu 20.000 Mark mit osteuropäischen Prostituierten verheiraten, denen damit eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis winkt. Für viele überschuldete „Existenzgründer“ sind die „Russinnen“ bereits der letzte Rettungsanker. Diese sehen das anders: „Jeder hat irgendwo einen Zuhälter!“ meinte eine. Folgt man dem französischen Soziologen Denis Duclos, dann entstand deren Avantgarde mit dem Übergang vom national denkenden Unternehmertum zur „internationalen Hyperbourgeoisie“, die – loyalitätsbefreit – extrem korruptionsanfällig geworden ist. Der deutschen Polizei fällt es besonders schwer, den Auf- und Abbau ihrer GmbH-Geflechte als „organisiertes Verbrechen“ einzuschätzen. Zumal man hier bis vor einigen Jahren noch im Wirtschaftsamt Broschüren bekam, denen Geschäftsleute entnehmen konnten, mit welchen Korruptionssummen sie in welchem Land zu rechnen hatten. Und bis heute kritisiert man im Ausland deren Steuerabzugsfähigkeit. Nun gilt diese „weiche Strategie“ auch im Inland. Helmut Höge

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