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Herr Rangnick, übernehmen Sie

Absteigen wird der VfB Stuttgart nach dem 3:1 über Freiburg wohl nicht. Bleibt damit alles beim alten, also bei Omnipräsident Mayer-Vorfelder?  ■   Aus Stuttgart Thilo Knott

Irgendwie kommt sich Ralf Rangnick noch immer ein bißchen verloren vor in der Fußball-Bundesliga. Zumindest nimmt er erstaunt zur Kenntnis, wie sehr ihn das Scheinwerferlicht auf Schritt und Tritt verfolgt. Tagtäglich soll der Trainer des VfB Stuttgart Berichte zur Lage des krisengeschüttelten Bundesligisten abgeben.

Doch diese Berichte hat der VfB-Trainer merklich reduziert. Dahinter stecke keine Boykott-Absicht. Iwo. Er wolle sich nur „voll und ganz auf die Mannschaft konzentrieren“, sagt Rangnick.

Verständlich, denn Turbulenzen hat er reichlich satt. Selbst nach dem 3:1 gegen den SC Freiburg, der dem VfB Stuttgart wohl den Klassenverbleib gesichert hat. Rangnick geht trotzdem der Lauf der Dinge nach, der ihn unversehens ereilte. „An das letzte halbe Jahr darf man gar nicht erst denken“, sagt er. Wenn man es dennoch tut, reihen sich folgende Ereignisse aneinander: Trainer beim Zweitligisten SSV Ulm, (Noch)Trainer in Ulm und (Demnächst)Trainer beim VfB, nicht mehr Trainer in Ulm und Trainer im VfB-Wartestand, Ablösung des „Platzhalters“ Rainer Adrion kurz vorm Saison-Finale.

Seitdem findet sich Rangnick in einer Rolle wieder, die so gar nicht seiner Art und Fachkenntnis entspricht. „Feuerwehrmänner“ nennt sich jene Spezies an Trainern, die einen Verein vor dem Ungemach des Abstiegs retten sollen. Doch Rangnick unterscheidet sich von den Rauschs, Bergers und Neururers in einem alles entscheidenden Punkt: Man traut ihm zu, ein langfristiges Konzept zu haben, wie Fußball modernster Prägung funktionieren kann.

Gesprochen hat Rangnick nach dem 3:1 von „zuwenig Zugriff auf den Ballbesitzenden“ und Mängel ausgemacht bei der „Aufnahme des Gegners aus der Raumdekkung“. Die Vierer-Abwehrkette ist bei ihm Gesetz. Und von seiner Idealvorstellung (4-4-2) rückte er nur deshalb ab (4-5-1), um der Freiburger Zentrale in Finkes 3-5-2-System numerisch zu begegnen.

Daß Rangnick von taktischen Finessen derzeit absehen muß und sich seine Arbeit beschränkt auf den Abruf des mannschaftspsychologischen Wissens, das hat sein Arbeitgeber höchstselbst zu verantworten.

Zwar ist Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder nicht samt und sonders schuld an der Malaise der einstigen Fußball-Traumfabrik, die Rangnick früher und gegen seine Intention an den Chefsessel band. Doch immerhin landen sämtliche Personalentscheidungen auf des Präsidenten Schreibtisch. Und zum Teil hat Mayer-Vorfelder, wie im Falle des Trainers Winfried Schäfer geschehen, Entscheidungen im Alleingang getroffen.

Zuletzt hat der Minister a. D. per Anruf beim Ex-Fußballprofi Paul Breitner („Herr Breitner, bitte übernehmen Sie den VfB“) Präsidium und Aufsichtsrat brüskiert, die darüber nicht informiert waren.

Nach all diesen Auftritten beschleichen selbst die einst folgsamsten Diener im Hofstaat gehörig Zweifel, ob den Herrn der roten Brustringe ernsthaft eine Form der Altersweisheit heimgesucht hat, wenn jetzt urplötzlich Strukturreformen angestrebt weden.

Ob Machtmensch Mayer-Vorfelder tatsächlich Befugnisse an einen sportlichen Leiter abgeben wird? Oder ob er doch wieder über allem Geschehen thront und dann delegiert – im neuen Modell auch noch hauptamtlich honoriert? Nicht nur die Beobachter aus dem Badischen nehmen Mayer-Vorfelder den Sinneswandel nicht so recht ab. Die Freiburger Anhänger jedenfalls machten ein anderes Führungsprinzip aus und bannten: „MV, wie wär's mit einem neuen Trainer!“

Der Konzeptionslosigkeit in der Führungsetage, die sich in der Wortschöpfung „Trainer-Rotation“ (vier in einer Saison) auch sprachlich niederschlug, steht die Vorstellung eines Konzept-Fußballs auf der sportlichen Etage gegenüber. „Ich brauche wenigstens sechs Wochen, um mit der Mannschaft ein Pressing nach meinen Vorstellungen zu erarbeiten“, hat Rangnick gesagt. Für die Umsetzung des Konzepts benötigt er lediglich Zeit und Ruhe. Zeit und Ruhe ist aber das Gegenteil von Mayer und Vorfelder. Vielleicht ruft Ralf Rangnick deshalb auch demnächst bei seinem Vorgesetzten an und sagt: Herr Mayer-Vorfelder, bitte übernehmen Sie.

VfB Stuttgart: Wohlfahrt – Schneider (46. Pinto), Spanring, Keller, Oswald – Djordjevic (59. Lisztes), Thiam, Balakow, Zeyer – Bobic, Frommer (59. Akpoborie) SC Freiburg: Golz – Schumann (60. Müller), Hermel, Diarra – Willi (66. Rietpietsch), Weißhaupt, Baya, Günes, Pavlin, Tskitischwili (75. Hampl) – SellimiZuschauer: 45 000 Tore: 0:1 Günes (33.), 1:1 Thiam (44.), 2:1 Bobic (59.), 3:1 Thiam (87.)

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