: Flüchtlingszug muß umkehren
■ Nach Angaben des UNHCR zwingen serbische Streitkräfte 2.000 Menschen an der Grenze zur Rückkehr in das Kosovo. Bei Vitina sollen 40.000 Personen eingekesselt sein
Dem UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR liegen Berichte vor, daß serbische Streitkräfte gestern einen Zug mit bis zu 2.000 Kosovo-Flüchtlingen an der Grenze zu Makedonien zur Rückkehr gezwungen haben. Ein UNHCR-Sprecher sagte in der mazedonischen Stadt Blace, einige ältere Flüchtlinge hätten berichtet, daß der Zug mit allen Insassen von der Grenze nach Norden zurückgefahren sei. Besorgniserregend sei zudem, daß Explosionen aus dem jugoslawischen Grenzgebiet zu hören seien.
Nach UNHCR-Angaben haben
männliche Kosovo-Vertriebene im wehrfähigen Alter offenbar keine Chance mehr, aus der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro nach Albanien zu flüchten. „Die Grenze ist nur noch für Frauen, Kinder und Alte offen“, sagte UNHCR-Sprecher Kris Janowski gestern in Genf. Flüchtlinge hätten berichtet, daß die jugoslawische Armee seit dem Wochenende die Grenze zwischen Montenegro und Albanien kontrolliere und Checkpoints errichtet habe. Soldaten hätten sieben Flüchtlingsbusse in Richtung Albanien gestoppt und 100 bis 150 Männer zwischen 16 und 55 Jahren festgenommen und zurück ins Kosovo gebracht.
Lediglich zwei Männer hätten sich gegen Zahlung von 15.000 Mark freikaufen können. Allerdings sei es sehr ungewöhnlich, daß Flüchtlinge so hohe Geldsummen besäßen, um jugoslawische Soldaten bestechen zu können, sagte Janowski. Vielen Flüchtlingen hätten die Serben vor der Vertreibung Ausweise, Geld und Schmuck abgenommen.
Am Grenzort Morini in Albanien, wo bereits 433.000 Kosovo-Albaner leben, kamen laut UNHCR-Sprecher am Sonntag zum erstenmal seit Beginn des Exodus Ende März überhaupt keine neuen Flüchtlinge an. Ob Serben Flüchtlingstrecks aufhielten oder militärische Aktivitäten der Nato in Grenznähe der Grund seien, konnte er nicht angeben.
Der Zustrom von Kosovo-Albanern nach Makedonien hat laut UNHCR dagegen wieder stark zugenommen, nachdem er nach einer vorübergehenden Grenzschließung durch die makedonischen Behörden zum Stillstand gekommen war. Am Sonntag brachte ein Flüchtlingszug mit nur vier Waggons tausend Menschen an die Grenze in Blace. Die meisten stammten aus dem Gebiet um Urosevac im Südkosovo.
Alarmiert zeigte sich Janowski von Berichten, daß Kosovo-Albaner an drei Orten in Urosevac als menschliche Schutzschilde festgehalten würden. Es handele sich um Waffenlager in einer Fabrik, einer Schule und einer Scheune. Diese Informationen könnten jedoch nicht von unabhängiger Seite überprüft werden, so das UNHCR.
Außerdem gaben Flüchtlinge an, daß 40.000 Vertriebene in der Gegend von Vitina östlich von Urosevac von serbischen Einheiten umzingelt seien und trotz großem Mangel an Nahrungsmitteln am Verlassen des Gebiets gehindert würden. Ankömmlinge in Albanien berichteten, Tausende im Kosovo in den Bergen ausharrende Flüchtlinge hätten nur noch wenig zu essen. In Vitina dürfen Albaner nur noch Brot kaufen, berichteten andere. Es gebe aber nicht genügend Brot für alle Einwohner.
Insgesamt sind seit Ende März fast 745.000 Menschen aus dem Kosovo geflohen. 50.000 wurden inzwischen aus den Flüchtlingslagern in Makedonien in Drittländer gebracht. rtr/epd/dpa
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