: Steuern für Windkraftwerke
■ Die neue Steuergesetzgebung soll Verlustzuweisungsgesellschaften austrocknen. Für die Windindustrie bieten sich jedoch neue Chancen. Ein Run auf Alt-Projekte ist zu erwarten
„Oskar schwingt die Steuerkeule“ – „SPD-Steuerbombe in letzter Sekunde entschärft“ – „Schock für Steuersparer“ – mit solchen und anderen Schlagzeilen überschlagen sich seit Ende Januar die Wirtschaftsblätter, wenn es um die Berwertung, Kommentierung oder Erklärung der Steuerpolitik der rot-grünen Bundesregierung geht. Der „Insider-Report des freien Kapitalmarktes“, die Zeitschrift kapitalmarkt intern verbreitete sogar die „Horror-Meldung“ von der „Exekution“ der gesamten Finanzdienstleistungsbranche.
Ganz egal, ob es sich um Fonds für Immobilien, Schiffe oder Windenergie handelt: Von der alten Herrlichkeit im Finanzwesen sollte nichts mehr übrigbleiben, so wenigstens das Lamento. Anlaß für solche eher hysterischen Obertöne waren einige Änderungen in der Steuergesetzgebung, mit der der damalige Bundesfinanzminister Lafontaine für alle Steuerzahler eine Mindestbesteuerung sichern wollte. Investitionen in Unternehmungen, deren hauptsächlicher Zweck allein darin besteht, Verluste zu machen, sollten in Zukunft nicht mehr zur Senkung von Steuerzahlungen bis auf null führen. Seine Einnahmen würde der gutverdienende Zahnarzt nun nicht mehr mit seinen Verlusten aus seiner Beteiligung beispielsweise an einem Containerschiff verrechnen können, die er doch nur deshalb eingegangen war, um seine hohe Steuerpflicht zu mindern. Abschreibungskünstlern sollte das Handwerk gelegt werden. Und wenn der Aufschrei der Branche als ein Indiz zu betrachten ist, dann ist dieses Ziel bravourös erreicht.
Allerdings sind gleich bei Bekanntgabe der neuen Steuerregeln eine Reihe von bedenkenswerten Vorbehalten gegen die „Leges Lafontaine“ geäußert worden. So hat das eifrige Bemühen der Steuerzahler um Minderung ihrer Steuerlast im Jahr 1998 sie dazu bewegt, insgesamt immerhin 26 Milliarden Mark Eigenkapital beizusteuern, mit denen Investitionen in Höhe von schätzungsweise 50 Milliarden Mark getätigt worden sind. Eine beachtliche Summe, die, wie mancher Insider befürchtet, möglicherweise in den kommenden Jahren ins Ausland verlagert wird. Schiffs- und Flugzeugwerften fürchten bereits um ihre Existenz, Wirtschaftsexperten um die negativen Auswirkungen auf den bundesdeutschen Arbeitsmarkt.
Unverhofft gut aber steht auf einmal die Windenergiebranche da. Und das aus verschiedenen Gründen: Projekte, für die vor dem Stichtag 5. März 1999 ein Bauantrag gestellt worden ist, fallen auf jeden Fall unter die Übergangsregelung und werden nach dem alten Gesetz behandelt. Die Initiatoren können sogar noch bis zum 31. Dezember des Jahres 2000 mit Verlustzuschreibungen Gesellschafter werben, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Zu erwarten ist also geradezu ein Run auf solche Alt-Projekte.
Aber auch unter der neuen Regelung haben Windenergiefonds im Vergleich etwa zu Schiffonds entscheidende Vorteile. Da Schifffonds seit dem 1. Januar 1999 nicht mehr mit dem halben Steuersatz auf dem Verkaufserlös rechnen konnten, sank hier die Rendite teilweise drastisch auf weniger als 5 Prozent – für einen Investor völlig uninteressant.
Die Ertragsprognosen der Windenergiefonds hingegen, die ohne Verkauf kalkuliert sind, blieben davon unberührt. Schon unter den alten Bedingungen übertrafen Windenergiefonds mit einer Durchschnittsrendite von 8,5 Prozent sogar die Ertragserwartungen der gern umworbenen und vielgelobten Auslandsimmobilien. Eine scharfe Kalkulation, eine in den meisten Fällen solide Planung und relativ verläßliche politische Rahmenbedingungen mit dem Stromeinspeisungsgesetz haben diese guten Kennzahlen ermöglicht. Dies verschafft den Windenergiefonds gerade unter dem neuen Steuergesetz einen entscheidenden Vorsprung vor der Konkurrenz: Da die Planer von Windkraftwerken von Anfang an mehr den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Projekte verfolgten, als die Abschreibungswünsche großer Privatinvestoren zu bedienen, trifft sie das neue Gesetz weniger hart.
Zu einer solchen Orientierung beigetragen hat die große Zahl der kleinen und mittleren Investoren, die die bislang mehr als 6.000 Windenergieanlagen in Deutschland erst ermöglicht haben. Sie haben vor allem aus ökologischen und energiepolitischen Gründe in die Windenergie investiert und nicht aus steuerlichen, und ihnen tut jeder Verlust weh. Und das wissen auch die Windenergieplaner. Walter Delabar ‚/B‘Der Autor ist Mitarbeiter der Unternehmensgruppe Umweltkontor
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