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APPD: Wahlkampf ist Arbeit ist Scheiße

■ Anarchistische Pogopartei Deutschlands will sich auf Open-air-Bundesparteitag in Bremen auflösen / Bremer Flügel will nach Kaderprinzip weitermachen

„Arbeit für Bremen!“ droht Andreas Lojewski, Spitzenkandidat der AfB. „Arbeit ist Scheiße!“ kontert die APPD. Beziehungsweise konterte. Denn mit dem AfB-Kontraprogramm ist jetzt bald Schluß. Die APPD will sich am kommenden Samstag auf einem Open-air-Bundesparteitag auf dem Bremer Marktplatz auflösen.

Vor der Bundestagswahl im vergangenen September klebten die weißschwarzen Plakate der Anarchistischen Pogo-Partei Deutschlands zumindest noch im Viertel an jedem Trafokasten, Telefonhäuschen und an allen anderen Stellen, an denen Plakatieren verboten ist. Sie verkündeten die frohe Botschaft „Asoziale an die Macht!“ und propagierten als bürgerfreundliches Gegenkonzept zur Lohnarbeit „Saufen! Saufen! Jeden Tag nur saufen!“; kurz, die Wähler wurden aufgefordert: „Diesmal Prost wählen!“

Und nun? Big Lojewski is watching you from every Litfaßsäule, dieweil von der „Partei des Pöbels und der Sozialschmarotzer“ nur noch ein paar halb abgerissene Spuckis an den Händetrocknern in den Toiletten schlecht beleumundeter Lokale künden. Die Arbeitswütigen, die sich Arbeit mühsam suchen und notfalls künstlich schaffen, um sie anschließend erledigen zu dürfen, haben sich, so scheint es, endgültig durchgesetzt gegen diejenigen, die das lieber bleiben lassen und stattdessen ihre Jugendrente versaufen oder in der Mitfickzentrale Angebote erfragen (womit zwei Kernideen des APPD-Programms benannt wären).

Doch wieder einmal trügt der Schein. In Wahrheit beobachten wir lediglich, was geschieht, wenn Politiker ihren eigenen Idealen folgen. Andreas Lojewski schafft sich einen Arbeitsplatz, tigert jede Nacht mit einem Kleisterkübelchen in der Hand und tausendmal sich selber unterm Arm los, tapeziert hurtig wie ein Kaninchen und emsig wie ein Bienchen die Stadt, und schon könnte man meinen, er sei eine Partei.

Die APPD hingegen kam diesmal nicht zum Wahlkämpfen, wie Luna Lustig, ihr Bremer Vorsitzender, erklärt: „Wir haben in letzter Zeit ziemlich viel Party gehabt, deshalb haben wir's nicht geschafft mit der Wahl. Aber das war's wert und ist okay so.“

Okay so? Eine Schande ist es! Denn die Chancen für die APPD wären so schlecht nicht gewesen: 35.000 Stimmen hatte sie bei der Bundestagswahl bekommen, das waren zwar nur knapp 0,1 Prozent, aber bei der Bürgerschaftswahl wäre man mit der gleichen Stimmenzahl auf satt über zehn Prozent gekommen und mit gleich mehreren Pogo-Anarchisten in die Bürgerschaft eingezogen, so ein Wunschtraum. Dann wäre das Kommunalprogramm umgesetzt worden, das unter anderem mehr Sex- und Krawalltourismus, mehr Gewalt bei Werderspielen sowie die Flutung Bremerhavens vorsieht. Ob sich dafür jetzt eine Mehrheit bei den etablierten Parteien finden wird, gilt unter politischen Beobachtern als zweifelhaft.

Mitten in Wahlkampfzeiten setzt die APPD nun mangels anderer Betätigung ein ungewöhnliches Zeichen: Sie löst sich auf, und zwar bei ihrem Open-Air-Bundesparteitag, der am Samstag, um 14 Uhr am Ziegenmarkt im Ostertorviertel beginnt. Das aber, versichert Luna Lustig, bedeutet nicht notwendigerweise das Aus für die APPD in der Hansestadt: „Hier in der Stadt wollen wir weitermachen. Nach der Auflösung der Bundespartei wird ein großer Reinigungsprozeß einsetzen und die Partei nach einem strammen Kaderprinzip neu geordnet.“

Klaus C. Zehrer

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