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Belgiens Ladenregale leeren sich

Nach Huhn, Ei und Keksen werden nun auch Speck und Pastete aussortiert – noch immer wird bis zu 1000mal zuviel Dioxin in belgischen Hennen gefunden  ■   Von Matthias Urbach

Berlin (taz/AP) – Kein Tag zur Zeit in Belgien ohne Polizei im Supermarkt. Seit vorgestern räumen sie auf Anordnung des aufgescheuchten Gesundheitsministeriums nach Hühnern, Eiern und Mayonnaise nun auch Schweinefleischprodukte aus den Regalen – fette Wurst wie Salami oder Pastete, wird grundsätzlich herausgepickt, egal von welchem Tier sie stammt. Man müsse das Vertrauen der Verbraucher wiederherstellen, begründete Belgiens Ministerpräsident Jean-Luc Dehaene die neueste Anordnung nach zwölf Stunden Krisensitzung. Für Belgier ist die Auswahl fürs Abendessen inzwischen so klein wie der Auslauf für eine Legehenne.

Die EU hatte am Freitag abend das Exportverbot auf Rind- und Schweinefleisch aus verdächtigen Beständen in Belgien erweitert. Dasselbe gilt für Milch und Joghurt. Auch Rußland, Kanada, Rumänen, Süd-Korea und die Schweiz verhängten Einfuhrverbote. Singapur und die USA verboten den Einkauf von Fleisch gleich aus der gesamten EU.

Die ersten Dioxinmeßergebnisse in Deutschland fallen allerdings niedrig aus: In den beiden nordrhein-westfälischen Hühnermastbetrieben in denen belgische Dioxinkörner verfüttert worden waren, fanden sich bloß Dioxinwerte zwischen 0,35 und 4,5 Pikogramm pro Gramm Fett – normal sind 0,5 bis 2,5. Die Weltgesundheitsorganisation rät erst ab fünf Pikogramm davon ab, das Zeug zu verfüttern. Ein Wert also, der keinen Aktionismus in Deutschland rechtfertigt. In Belgien hingegen schlagen die Meßgeräte fröhlich aus: Gleich 1.000mal mehr Dioxin als üblich entdeckten dort die Laboranten in der Hühnerbrust.

Wie bei jedem ordentlichen Skandal gibt es Gewinner und Verlierer. Während die Geflügelverkäufer aus dem BSE-Skandal gestärkt hervorgingen, haben sie nun Schwierigkeiten: Die Grillkette „Wienerwald“ etwa setzt ein Viertel weniger Hühner ab. Die Landwirtschaftslobby-Agentur CMA weiß dagegen von einen Ansturm auf deutsche Eier zu berichten.

Ein klassisches Lehrstück: Hätte Belgien die ersten Verdachtsmomente von Mitte März nicht so lange geheim gehalten, hätte sie sich die aktuelle Hektik ersparen können. Nun wird belgische Mayonnaise auch nach dem Skandal ein Ladenhüter bleiben.

Anderswo können sich dagegen selbst Käfigeierproduzenten als Saubermänner darstellen. Auch Altsponti Dieter Kunzelmann hat die Gunst der Stunde erkannt. Er wolle künftig nur mit Eiern auf Politiker werfen, die aus Freilandhaltung stammen. Echte Fans wird das enttäuschen: Offenbar hat der Exkommunarde bislang nur Käfigware geschmissen.

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