: „Selbstmord des Mannes, der zuviel wußte“
■ Der dubiose Selbstmord eines iranischen Geheimdienstlers offenbart Verbindungen zum Berliner Mykonos-Attentat und zu den Morden an iranischen Intellektuellen Ende 1998
Berlin (taz) – Wer ist Said Emami? Laut offiziellen iranischen Angaben einer der zentralen Organisatoren der Mordserie an Regimekritikern Ende vergangenen Jahres und mittlerweile tot. Emami, der auch unter dem Namen Said Islami auftrat, habe am vergangenen Samstag in einem Teheraner Gefängnis Selbstmord begangen, indem er – trotz strenger Bewachung – beim Baden ein Enthaarungsmittel getrunken habe. Das berichtete am Sonntag der für die Ermittlungen wegen der Morde an vier Dissidenten in nur drei Wochen zuständige Chef der Teheraner Militärjustiz, Mohammad Niasi. Er nannte auch erstmals die Namen von drei weiteren inhaftierten mutmaßlichen Tätern – mehrheitlich Geheimdienstler und einige „Geschäftsleute“. Für den Toten hatte er wenig Mitgefühl übrig. Denn der wäre angesichts seiner bisherigen Aussagen ohnehin zum Tode verurteilt worden, so Niasi.
„Selbstmord des Mannes, der zuviel wußte“, überschrieb die Zeitung Iran News am Mittwoch ihr Editorial. Konservative Kreise in Iran, die gegenüber den Ermittlungen alles andere als aufgeschlossen sind, stellen Emami dagegen als kleines Licht dar, der längst nicht mehr als iranischer Agent arbeitete und zudem Verbindungen zum israelischen und US-Geheimdienst gehabt habe. „Als er versuchte, im [für den iranischen Geheimdienst zuständigen, d. Red.] Informationsministerium zu arbeiten, hat der Generaldirektor ihm wegen seines familiären Hintergrunds jeden wichtigen Posten verwehrt“, zitierte die konservative Tehran Times eine nicht näher präzisierte „Quelle mit vollständigen Informationen über den familiären Hintergrund“ Emamis. Der Onkel des Toten sei zu Zeiten des Schahs Militärattaché einer iranischen Botschaft im Ausland gewesen. Man wisse ja, „daß Militärs unter dem Schah definitiv direkte oder indirekte Kontakte zu Israel und den USA hatten.“ Zudem habe Emami schon zu Schah-Zeiten für dessen Geheimdienst Savak gearbeitet. Die Mordserie habe er organisiert, um den islamischen Staat zu destabilsieren.
Emami sei nie ein wichtiger Geheimdienstler der Islamischen Republik gewesen und längst aus den Reihen der Agenten entfernt worden, berichtete der Generalsekretär des mächtigen konservativen Feststellungsrats, Mohsen Resai. Zudem habe er Kontakte zur für die Einwanderung von Juden nach Israel zuständigen Jewish Agency und in die USA unterhalten.
Doch die linksislamistische Zeitung Salaam (Frieden) wußte als erste zu berichten, daß Emami einst stellvertretender Geheimdienstminister war – unter dem nach Ansicht des Berliner Kammergerichts für den Mordanschlag auf vier oppositionelle iranische Kurden in dem Berliner Restaurant Mykonos 1992 verantwortlichen Ex-Geheimdienstchef Ali Fallahian. Emamis Entlassung sei eine der Hauptforderungen des im Mai 1997 überraschend gewählten reformorientierten Präsidenten Mohammad Chatami gewesen.
Dokumente aus dem vor über einem Jahr in Berlin zu Ende gegangenen Mykonos-Prozeß sprechen für diese Version. Damals hatte der als „Quelle C“ getarnte Kronzeuge und ehemalige iranische Geheimdienstler Abolkassem Mesbahi ausgesagt, ein früherer Stellvertreter Fallahians namens Said Emami habe ihm zur Flucht aus dem Iran geraten, denn sein Tod sei vom „Komitee für Sonderangelegenheiten“ beschlossen worden, das für Morde an Dissidenten zuständig sei.
Mesbahi setzte sich ins Ausland ab und erzählte zuerst diversen Geheimdiensten und dann dem Berliner Gericht, daß der Mykonos-Mord von der iranischen Staatsspitze persönlich befohlen wurde. Weil Irans Staatsführung damals der Bundesregierung ein Dossier überreicht hatte, daß Mesbahi als Hochstapler und dubiosen Geschäftsmann ohne Geheimdienstkontakte entlarven sollte, überprüften deutsche Behörden neben der Identität von „Quelle C“ auch die Emamis. Ergebnis: Die Unterlagen aus Teheran waren erstunken und erlogen.
Emami hatte nach Erkenntnis der deutschen Behörden Anfang der 80er Jahre im Auftrag des iranischen Revolutionsführers Ajatollah Chomeini den Geheimdienst der Islamischen Republik, Vevak, maßgeblich mitaufgebaut. 1987 reiste er in dessen Auftrag nach Deutschland und verhandelte dort unter anderem mit den SPD-Politikern Hans-Jochen Vogel, Karl-Heinz Wischnewski, Hans Koschnik und Erhard Eppler über die Freilassung des deutschen Hoechst-Managers Rudolf Cordes, der von der vom Iran unterstützten schiitischen Hisbullah im Libanon entführt worden war. Einreisebelege Emamis sowie eine auf ihn ausgestellte Schweizer Hotelrechnung gehören zu den Gerichtsdokumenten des Mykonos-Prozesses. Demnach wurde Emami auch erst 1958 im südiranischen Schiras geboren. Seine von konservativer iranischer Seite behauptete Karriere beim Geheimdienst des Schah ist damit unwahrscheinlich. Der jetzt Verstorbene war zur Zeit des Sturzes des Teheraner „Sonnenkönigs“ Anfang 1979 höchstens 21 Jahre alt.
Wie um eine weitere Nebelkerze zu zünden, behauptet der Generalsekretär des iranischen Feststellungsrats, Resai, jetzt, Emami habe Kontakte zu jenen kürzlich als „zionistische Spione“ verhafteten mindestens 13 iranischen Juden gehabt. Belege will er nachliefern. Laut Militärjustizchef Niasi sind wegen der Intellektuellenmorde Ende vergangenen Jahres derzeit 33 Verdächtige in Haft, weitere 23 seien gegen Kaution auf freiem Fuß. Angehörigen der im November und Dezember ermordeten Dissidenten wurde mitgeteilt, ein Prozeß werde frühestens im März kommenden Jahres stattfinden. Viel Zeit für weitere bizarre Selbstmorde. Thomas Dreger
Ist der bizarre Selbstmord ein „Bauernopfer“ oder die Begleichung einer internen Rechnung des Geheimdienstes?
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