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Bundestag bekennt sich zum Mahnmal

■ Zur Erinnerung an die ermordeten europäischen Juden soll Peter Eisenmans Stelenfeld mit einer kleinen didaktischen Ergänzung errichtet werden. Bundestagspräsident Thierse: „Ein Denkmal für uns“

Bonn (taz) – In Berlin wird Peter Eisenmans 2.700 Betonstelen umfassendes Holocaust-Mahnmal gebaut. Ergänzt wird das Stelenfeld durch ein kleines Informationszentrum. Über Größe, Ort und die genaue Ausgestaltung dieses Zentrums wird eine Stiftung befinden. Dies entschied der Bundestag gestern nach mehrstündiger Debatte. 439 der 559 Abgeordneten stimmten dafür, 115 dagegen. Zuvor waren sowohl der Antrag, auf ein Mahnmal zu verzichten, als auch der Vorschlag des ostdeutschen Theologen Richard Schröder (SPD), das Denkmal durch die Inschrift „Du sollst nicht morden“ zu ersetzen, mit deutlicher Mehrheit abgelehnt worden. Auch der Vorschlag, Eisenmans Stelenfeld ohne ein kleines Informationszentrum zu bauen (im Fachjargon: „Eisenman 2 pur“), fand keine Mehrheit. Die knappste Abstimmung betraf die Frage, wem das Mahnmal gewidmet werden soll. Ursprünglich, das heißt von Beginn der Debatte 1988 an, war es stets als Denkmal „für die ermordeten Juden Europas“ geplant gewesen. Der Antrag, das Mahnmal den Juden und allen anderen Opfern des Nationalsozialismus zu widmen, wurde mit 325 zu 218 Stimmen abgelehnt.

Die Debatte hatte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) mit der Bemerkung eröffnet, daß dies „ein Denkmal für uns“ sei. Richard Schröders Vorschlag sei untauglich, weil er das Spezifische des Massenmords an den Juden verfehle. Eisenmans Entwurf bescheinigte Thierse, am ehesten den Erwartungen an ein Holocaust-Denkmal gerecht zu werden. Allerdings plädierte er im Hinblick auf kommende Generationen für eine kleine didaktische Ergänzung.

Dem widersprach Wolfgang Gerhardt (FDP), der für „Eisenman pur“ plädierte: Wer eine didaktische Ergänzung fordere, müsse konsequenterweise den ganzen Eisenman-Entwurf ablehnen. Eine Begründung für diese These blieb Gerhardt indes schuldig. Gregor Gysi (PDS) sprach sich vehement gegen die Erweiterung der Widmung aus: Damit würden verschiedenste Opfergruppen wie Sinti, Zeugen Jehovas, Zwangsarbeiter u. a. unter den Begriff „andere Opfer“ subsumiert. Daher sei diese Formulierung, die auf Integration ziele, in Wahrheit eine, die ausschließe. Ähnlich argumentierte Volker Beck (Bündnisgrüne), der die engagierteste Rede hielt. Die Beschränkung auf die europäischen Juden sei richtig, weil „der Antisemitismus das entscheidende Bindemittel“ des NS-Regimes gewesen sei. Beck würdigte Eisenmans Idee als ein „demokratisches Denkmal“, das dem Betrachter nichts vorschreibe. Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen (CDU), Gegner eines Mahnmals, hatte in der Debatte versteckt seine Drohung erneuert, daß Berlin sich bei der Realisierung des Projekts querstellen könne. Die Bundestagsentscheidung wurde überwiegend positiv kommentiert. Wolfgang Thierse, Walter Momper und Peter Struck (SPD) lobten einhellig den Beschluß. Lea Rosh, Initiatorin des Mahnmals, wertete das Parlamentsvotum als Erfolg. Eine Bauverzögerung durch Diepgen wäre „ein Unding“, so Rosh. SR

Tagesthema Seiten 2 und 3, Bericht Seite 21

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