„Nicht in die Neue Mitte“

■ Der Bundestagsabgeordnete Christian Simmert, Jahrgang 1972, hält an der kritischen Auseinandersetzung mit der Regierungsarbeit fest

taz: Herr Simmert, Sie tragen gerne Jackett, Matthias Berninger auch, Sie sind beide jung, grün und MdBs – was trennt Sie eigentlich?

Christian Simmert: Matthias trägt einen Schlips. Im Ernst: Uns unterscheidet, daß ich ins Zentrum meiner Arbeit linke Politikkonzepte stelle und sie am Thema sozialer Gerechtigkeit ausrichte. Ich bewerte außerdem die Arbeit der Koalition wesentlicher kritischer.

In dem Papier 40 junger Grüner heißt es, Leute wie Sie sollten sich überlegen, ob sie nicht in einem grünen Folkloreverein besser aufgehoben sind.

Tanzen habe ich nie gelernt. Da brauche ich also nicht lange zu überlegen. Diese Formulierung in dem Papier ist ja der Hinweis, daß wir aus der Partei verschwinden sollen. Diesen Gefallen werden wir ihm nicht tun.

Regieren und opponieren gleichzeitig gehe nicht, sagen Ihre Kritiker. Klingt das nicht plausibel?

Das klingt für mich auch plausibel – allerdings nur bis zu einem gewissen Grad. Es geht darum, einen kritischen Diskurs um die Arbeit der Regierungskoalition zu führen. Um am Ende ein Ergebnis zu erzielen, das eine klare grüne Profilierung ergibt, muß man diskutieren. Matthias Berninger und andere haben vor, Positionen glatt zu ziehen, ohne groß zu diskutieren. Das akzeptiere ich nicht.

Können die Grüne eine Partei werden wie jede andere auch?

Ich möchte das nicht. Ich glaube, daß wir zusehen müssen, in dieser Koalition, aber auch drumherum, Netzwerke zu bilden. Dort müssen wir gesellschaftliche Bewegungen mit einbinden. Das heißt aber, wir brauchen ein ganz klares grünes Profil im Bereich der Ökosteuer, des Atomausstiegs, der doppelten Staatsbürgerschaft, der sozialen Gerechtigkeit. Da müssen wir noch viel stärker dran arbeiten.

Berninger warnt, der Partei droht das Aus, wenn sie sich nicht ändert. Worin unterscheidet sich Ihr Konzept zur Rettung der Grünen von Berningers?

Ich habe den Eindruck, daß Matthias eher in die Neue Mitte will. Ich möchte nicht in die Neue Mitte. Wir haben in unserer Gesellschaft immer noch eine große Gerechtigkeitslücke. Da möchte ich ein klares linkes Profil in der Koalition. Ich weiß, daß das schwierig ist, und daß man dabei Kompromisse eingehen muß.

Und wenn die Grünen in den Umfragen sinken?

Daß wir von den Umfragewerten schlechter dastehen, ist richtig. Da muß ich aber auch einen Joschka Fischer fragen, was er dafür tut, damit die Partei nach vorne kommt. Er ist der beliebteste Politiker der Republik und die Partei krebst bei fünf Prozent – wie kann das sein?

Interview: Patrik Schwarz